Arzneimittelreste in der Wiener Donau
Schadstoffkonzentrationen in Flüssen liefern einen chemischen Fingerabdruck der Gesellschaft
Über das Abwasser gelangen Reste von Arzneimitteln, Kosmetika und Lifestyle-Substanzen in Flüsse. Eine aktuelle Studie zeigt, dass die Konzentration solcher Schadstoffspuren in der Wiener Donau im EU-Vergleich erstaunlich hoch ist. Ein internationales Forschungsteam unter der Beteiligung des Umweltgeowissenschafters Thilo Hofmann von der Universität Wien hat in der weltweit bisher umfassendsten Untersuchung zu diesem Thema den Verschmutzungsgrad von Flüssen in 104 Ländern verglichen. Die Studie erscheint in der internationalen Fachzeitschrift PNAS.
Mögliche negative Auswirkungen von Arzneimittelresten auf Menschen und Ökosysteme
Chemikalienreste in Flüssen können der Gesundheit von Ökosystemen und Menschen schaden. Die aktuelle Untersuchung hat erstmals international vergleichbare Daten zur Konzentration von Pharmazeutikaspuren in Flüssen auf allen Kontinenten zusammengetragen. Tatsächlich waren die Wasserproben an einem Viertel der Probeentnahmestellen bedenklich stark verschmutzt. Die 87 beteiligten Forscher*innen haben für jedes der untersuchten 137 Flusseinzugsgebiete jeweils mehrere Standorte untersucht. An jedem vierten der 1052 Standorte maßen die Wissenschafter*innen mindestens einen Wirkstoff in einer Konzentration, die so hoch war, dass sie Wasserorganismen bedroht oder Resistenzen gegen Antibiotika befördert.
Substanzen in der Wiener Donau: Einige Arzneimittelreste auffällig
"Auch für die Wiener Donau haben wir auffällig hohe Reste einiger Arzneimittel, darunter auch mehrere Antibiotika, gemessen", berichtet Thilo Hofmann, stellvertretender Leiter des Zentrums für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaft. Auffällig seien auch Werte für jeweils einen Wirkstoff gegen Bluthochdruck, Allergiereaktionen und Nervenleiden gewesen. Mit dabei waren auch Paracetamol und in besonders hoher Konzentration: Koffein. "Solche Analysen sagen uns nicht nur etwas über mögliche Schadstoffbelastungen, sondern sie erzählen auch etwas über die Lebensweisen der Menschen und die Gesundheitsversorgung in den untersuchten Einzugsgebieten", erklärt Hofmann. "Wir schauen hier nicht ausschließlich auf Stoffe, die toxisch sind oder sich nur schwer abbauen und die Umwelt daher besonders belasten können. Es geht vielmehr allgemein um anthropogene, also vom Menschen eingetragene Substanzen", fügt er hinzu. Die Untersuchung zeigt tatsächlich auch: Wo kaum Menschen leben – ein Beispiel ist der Fluss Elliðaár in Island – wurde keine Belastung nachgewiesen.
Zuverlässiger Vergleich von 61 pharmazeutischen Substanzen
Die Studie berücksichtigt 61 Substanzen aus dem Arzneimittel- und Lifestyle-Bereich, die bereits in früheren Studien aufgefallen sind. Koffein, das auch in Arzneimitteln zum Einsatz kommt, ist weltweit auf Platz 3 der am meisten nachgewiesenen Substanzen. Am häufigsten begegneten die Forscher*innen in der Analyse dem Epilepsiemedikament Carbamazepin gefolgt vom Diabetesmedikament Metformin. Die Forscher*innen arbeiteten unter genauer Anleitung mit den gleichen Probennahme-Sets. Alle Proben wurden in einem Labor in Großbritannien an der Universität York ausgewertet. Dies ermöglicht einen wirklich verlässlichen Vergleich der Daten aller Kontinente.
Verschmutzung aus Forscherperspektive problematisch
Für die Rangfolge der untersuchten Flusseinzugsgebiete wurden die Konzentrationen der gemessenen Schadstoffe aufaddiert. Der Durchschnitt der in der Wiener Donau an insgesamt sieben Standorten gemessenen Werte liegt über jenem für die meisten EU-Länder. Die am stärksten verschmutzten europäischen Proben stammten aus einer Probenentnahmekampagne im spanischen Madrid (Platz 14 von 137). Wien liegt auf Platz 40. "Wien hat bei einzelnen Substanzen tatsächlich einen Eintrag in die Donau in problematischer Konzentration, aber weil die Donau so viel Wasser führt, werden die Substanzen so stark verdünnt, dass sich das Problem flussabwärts wieder verkleinert", erklärt Hofmann. "Dennoch zeigen uns die Ergebnisse, dass wir mittelfristig eine zusätzliche, vierte Reinigungsstufe für unsere Kläranlagen benötigen, die auch Spurenstoffe beseitigen kann. Es kann nicht sein, dass wir im 21. Jahrhundert unsere Flüsse mit unserem Abwasser belasten, obwohl die nötige Technik vorhanden wäre, das Abwasser vollständig zu klären."
Risiken der Flussverschmutzung und Faktoren, die die Verschmutzung befördern
Im Gesamtbild der Studie sind es nicht nur die einzelnen Substanzen, sondern auch die Mischung, die problematisch sein kann. "Auch wenn die Stoffe jeweils für sich keine kritische Konzentration erreichen, stecken in möglichen Wechselwirkungen der Gemische ökologische Risiken", erläutert Hofmann. Das Gesamtfazit der Studienautor*innen ist eindeutig: Global betrachtet bedrohe die Verschmutzung der Gewässer durch Arzneimittel und andere Stoffe die menschliche Gesundheit und die Umwelt. Die höchsten aufaddierten Konzentrationswerte wurden südlich der Sahara, in Südasien und Südamerika gemessen. Die Ergebnisse zeigen dabei auch: Arzneimittelproduktionen in Flussnähe, fehlende Kläranlagen oder auch ein trockenes Klima begünstigen die Flussverschmutzung. Sauberer ist es wiederum dort, wo es kaum Zugriff auf moderne Medizin, ausgeklügelte Abwasserreinigungssysteme, kaum menschlichen Einfluss und eine starke Verdünnung gibt.
Publikation in PNAS (Proceedings of the National Academy of Sciences):
"Pharmaceutical Pollution of the World’s Rivers", John L. Wilkinson, Thilo Hofmann et al., Proceedings of the National Academy of Sciences (2022)
Wissenschaftlicher Kontakt
Prof. Dr. Thilo Hofmann
Environmental Geosciences (EDGE)
Zentrum für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaft
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Rückfragehinweis
Mag. Alexandra Frey
Pressebüro der Universität Wien
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T +43-1-4277-175 33
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