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Die Physik der Bakterien

18.04.2019

Mit einem Lise-Meitner-Stipendium kam Andreas Zöttl an die TU Wien. Nun untersucht er die Bewegung von Bakterien durch komplexe Flüssigkeiten.

Wenn ein Farbtropfen ins Schwimmbecken fällt, dann breiten sich die Farbpartikel langsam aus. Die Gesetze, mit denen man berechnen kann, wie rasch sich die Farbe im Wasser bewegt, sind schon lange bekannt. Viel komplizierter ist es allerdings, die Bewegung von Bakterien durch biologische Flüssigkeiten zu berechnen. Dem Physiker Andreas Zöttl gelangen auf diesem Gebiet wichtige Erfolge. Mit einem Lise Meitner Stipendium des FWF wechselte er nun von der Universität Oxford an die TU Wien.

Zu kompliziert für reine Strömungslehre

"Viele Flüssigkeiten, die in der Biologie oder in der Medizin eine wichtige Rolle spielen, sind sehr kompliziert", sagt Andreas Zöttl. Durch den Schleim in unserer Nase bewegen sich Bakterien ganz anders als durch gewöhnliches Wasser. Auch die Ausbreitung von Krebszellen im Körper gehorcht eigenen Gesetzen. Oft enthalten biologische Flüssigkeiten viele große Moleküle oder Partikelcluster, oder sogar dicht gewobene Netze molekularer Strukturen, die sich ständig neu verbinden und wieder auflösen. Die gewöhnlichen Gesetze der Strömungsmechanik lassen sich dann kaum noch sinnvoll anwenden.

In Oxford untersuchte Andreas Zöttl die Bewegung eines Bakteriums mit spiralförmig gewundener Geißel. Die Geißel dreht sich im Kreis und treibt damit das Bakterium nach vorne. Nun könnte man annehmen, dass sich das Bakterium in einer zähflüssigen Substanz nur langsam und mühevoll fortbewegen kann - doch Messungen ergeben das Gegenteil: Unter bestimmten Bedingungen ist es in Flüssigkeiten mit hoher Viskosität sogar schneller.

"Das lässt sich mit einfachen Formeln nicht erklären. Um das zu verstehen, braucht man aufwändige Computersimulationen", sagt Andreas Zöttl. Er baut Bakterien am Computer virtuell nach und lässt sie durch eine ebenso computergenerierte Umgebung schwimmen, deren Eigenschaften man nach Belieben anpassen kann. Mit solchen Computerexperimenten kann man viele Effekte viel genauer und umfassender untersuchen als mit gewöhnlichen Experimenten in der Petrischale.

Allerdings hat man bei den Computersimulationen mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen: Die Bewegung von Bakterien findet auf einer unangenehmen Größenskala statt. Die relevanten Objekte sind zu klein, um sie problemlos als Kontinuum beschreiben zu können, weil sich Effekte auf molekularer Ebene bereits auswirken. Andererseits sind sie aber immer noch sehr groß im Vergleich zu einzelnen Atomen. Es ist völlig unmöglich, alle beteiligten Atome in die Computerberechnung einzubeziehen - das wären viel zu viele.
Man braucht daher kluge Näherungsmethoden und Vereinfachungen um dem Problem auf den Grund zu gehen – und selbst dann kann eine einzige Rechnung, durchgeführt von zahlreichen Prozessoren auf einem Großrechner, immer noch mehrere Wochen dauern. "Das gehört dazu in diesem Forschungsgebiet", sagt Andreas Zöttl. "Zum Glück steht an der TU Wien mit dem VSC3 ein ausgezeichneter Computercluster zur Verfügung."

Von Wien in die Welt und wieder zurück

Mit einem Lise Meitner Stipendium des österreichischen FWF kehrte Andreas Zöttl nun an seine Alma Mater zurück - er hatte 2009 sein Physik-Studium a der TU Wien abgeschlossen. Danach ging er nach Berlin, wo er 2014 promovierte. Die Computermethoden und Programmcodes,  die er dabei entwickelte, verwendet er in überarbeiteter Form bis heute. Nach seiner Promotion arbeitete er als Postdoc an der Universität Oxford und für ein halbes Jahr auch in Paris, nun forscht er am Institut für Theoretische Physik in der Forschungsgruppe von Prof. Gerhard Kahl.