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Evolution: Wie Pflanzen hyperaktive springende Gene beruhigen

31.01.2020

Zwischen der Regulierung von Transposonen – den so genannten springenden Genen – und Genen, die die Entwicklung in Pflanzen und Tieren steuern, gibt es eine unerwartete Verbindung. Das hat die Analyse des Genoms des Lebermooses Marchantia polymorpha ergeben. Die neue Arbeit eines internationalen Teams unter der Führung von Frédéric Berger, seinem PhD-Studenten Sean Montgomery, beide am Wiener Gregor Mendel Institut der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (GMI) und  Chang Liu vom Zentrum für Molekularbiologie der Pflanzen (ZMBP) wurde am Donnerstag in der Fachzeitschrift Current Biology veröffentlicht. 

Die Forscher untersuchten die Genom-Organisation des Lebermooses (Marchantia polymorpha) um die Evolution der Genom-Regulierung in Eukaryoten zu verstehen. Das Lebermoos ist ein Vertreter von Landpflanzen, die vor über 400 Millionen Jahren entstanden – damals wurde die Tierwelt noch von Fischen dominiert. Die bescheidene Pflanze bietet den Forschern Einblicke, wie sich die Genom-Regulierung seitdem entwickelt hat.

Das Team hat dabei die besonders leistungsfähige neue Long-Read-Sequenzierungs-Technologie eingesetzt, um DNA-Sequenzen des Lebermooses  auf Chromosom-Ebene zu erzeugen. Sowohl bei Pflanzen als auch bei Tieren ist die Chromosom-DNA rund um Nukleosome gewickelt. Diese wiederum bestehen aus Proteinen, die Histone genannt werden. Nukleosome helfen dabei, die DNA in funktionale Einheiten zu organisieren. Sie sind entscheidend für die Regulierung der Gen-Expression – also dafür, ob ein Gen ein- oder ausgeschaltet wird. Eine Möglichkeit dafür ist es, Histone mit chemischen Modifikationen zu „dekorieren“. Die Forscher konnten mit Hilfe der neu generierten DNA-Sequenzen des Marchantia-Genoms bestimmen, wie diese Modifikationen mit  Gen-Expression zusammenhängen.

Die meisten der acht getesteten Modifikationen zeigten die selben Veränderungen der Gen-Expression, wie sie schon in Blütenpflanzen und Wirbeltieren beobachtet wurden. Das zeigt, dass diese Chromatin-Modifikationen seit hunderten Millionen Jahren bei vielen Organismen die gleiche Funktion haben. Bei einer speziellen Art von Genen, den Transposonen, war dies hingegen nicht der Fall: Transposone, auch als springende Gene bekannt, sind DNA-Sequenzen, die sich selbst kopieren und sich dann an verschiedene Stellen im Genom setzen und dadurch die Evolution antreiben. Weil sie sich vor ihrer Wanderung selbst kopieren, können sie sich rapide vermehren. Mehr als 40 Prozent der menschlichen DNA besteht aus Transposonen, beim Mais sind es sogar 90 Prozent. Langfristig betrachtet ist dieAktivität der Transposonen für die Evolution positiv. 

Die schädliche Hyperaktivität

Hyperaktivität kann aber auch schädlich sein. Pflanzen und Tiere haben daher komplexe Mechanismen entwickelt, um Transposone zu erkennen und sie an der Bewegung zu hindern. Normalerweise sind daran die DNA-Methylierung und die Histon-Modifikation H3K9me beteiligt. Beim Lebermoos  hingegen war es die Modifikation H3K27me3, wie die Forscher herausfanden.

„Nach dem Lehrbuch steht die H3K27me3-Modifikation in Verbindung mit den Entwicklungs-Genen in mehrzelligen Eukaryoten. Diese Gene bestimmen etwa bei der Fruchtfliege, ob sie ein Bein, einen Flügel oder einen Fühler entwickelt“, sagt Frédéric Berger. „Allerdings wurde diese Modifikation auch in einzelligen Eukaryoten gefunden. Niemand wusste aber, was dort die Aufgabe dieser Modifikation ist, wo ja keine mehrzellige Entwicklung stattfindet.  Unsere Daten geben einen starken Hinweis darauf, dass die H3K27me3-Modifikation auch an der Still-Legung von Transposonen beteiligt ist.“

Berger weiter: „Wir vermuten, dass im Lauf der Evolution die Transposone durch ihre Wanderungen begonnen haben, benachbarte Gene ein- und auszugeschalten und dadurch auf die Genexpression Einfluss nahmen.Die H3K27me3-Modifikation wurde allmählich  für die Steuerung der Entwicklung zuständig. Die Still-Legung von Transposonen wurde hingegen von einem straffer geregelten System aus DNA-Methylierung und H3K9me3 übernommen. Unsere Studie zeigt klar, wie viel wir durch die Untersuchung von Histon-Modifikationen in unterschiedlichen Pflanzenarten lernen können. Wir werden unsere neue Hypothese mithilfe neu erstellter Histon-Modifikationspläne anderer früher Landpflanzen testen.“

Die Arbeit wurde unterstützt durch FWF Der Wissenschaftsfonds (I2163-B16, I2303-B25, P26887, DK 1238), den Europäischen Forschungsrat (European Research Council, ERC) im Rahmen des EU-Programms für Forschung und Innovation Horizon 2020 (Grant agreement No. 757600), die Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG (INST 37/935-1 FUGG), die National Institutes of Health NIH (R01 GM065383, R01 GM127402), die Russian Science Foundation (18-74-00112), die Russian Foundation for Basic Research (18-016-00146), die Japan Society for the Promotion of Science JSPS KAKENHI (16H06279, 15K21758, 17H05841, 25113001, 25113009), das Projekt Forschung der Faculty of Biology-Oriented Science and Technology, Kindai University (16-I-3,2017) und den Australian Research Council (DP170100049). 

DOI: https://doi.org/10.1016/j.cub.2019.12.015

Über das GMI

Das Gregor Mendel Institut für Molekulare Pflanzenbiologie (GMI) wurde von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) im Jahr 2000 gegründet, um Spitzenforschung in der molekularen Pflanzenbiologie zu fördern. Das GMI gehört zu den weltweit wichtigsten Pflanzenforschungseinrichtungen. Mit mehr als 130 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus 35 Ländern erforscht das GMI primär die Grundlagen der Pflanzenbiologie, vor allem molekulargenetische Aspekte wie epigenetische Mechanismen, Populationsgenetik, Chromosomenbiologie, Stressresistenz und Entwicklungsbiologie. Das GMI befindet sich in einem modernen Laborgebäude der Österreichischen Akademie der Wissenschaften am Vienna BioCenter, gemeinsam mit mehreren Forschungsinstituten sowie Biotechnologie-Firmen.

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