Herzschwäche: Neue Methode trainiert Herzmuskel mit Mikrostrom
Implantiertes Gerät stimuliert Zellregeneration bei Kardiomyopathie
An der MedUni Wien bzw. im AKH Wien wurde ein neuartiges Gerät zur Stärkung des geschwächten Herzmuskels bei Kardiomyopathie-Betroffenen erstmals weltweit im Rahmen einer Studie erfolgreich eingesetzt. Ein implantierter Impulsgeber trainiert den Herzmuskel mit Mikrostrom und führt so zur Regeneration geschädigter Herzmuskulatur. Den Betroffenen kann so im Idealfall eine Herztransplantation erspart oder diese zumindest hinausgezögert werden.
In Europa sind derzeit rund 20 Millionen Menschen (2-3% der erwachsenen Bevölkerung) von einer systolischen Herzinsuffizienz betroffen. Bei der so genannten dilatativen Kardiomyopathie vergrößert sich der Herzmuskel krankhaft und kontraktiert nicht mehr ausreichend. Dafür gibt es mehrere Ursachen: Angeboren, als Folge von Entzündungen, toxische Ursachen, Folgen des Alterungsprozesses, oder idiopathische Ursachen Die derzeitige Behandlung versucht durch optimale medikamentöse Therapie die PatientInnen möglichst lange zu stabilisieren. In weiterer Folge kann mit einer apparativen Unterstützung wie speziellen Schrittmachersystemen (CRT, BAROSTIM) eine Stabilisierung erzielt werden. Als letzte Maßnahme vor der terminalen Herzinsuffizienz steht der biologische (Herztransplantation) oder mechanische (herzunterstützende Pumpe "Kunstherz") Ersatz zur Verfügung.
Während allein an der Universitätsklinik für Innere Medizin II der MedUni Wien/AKH Wien jährlich etwa 400 PatientInnen mit fortgeschrittener Herzinsuffizienz chronisch betreut werden, können an der Universitätsklinik für Chirurgie der MedUni Wien/AKH Wien zur Versorgung des gesamten ostösterreichischen Raumes jährlich rund 40 bis 50 Herztransplantationen und ebenso viele Implantationen von herzunterstützenden Pumpen durchgeführt werden, welches international bereits Spitzenzahlen darstellen. Daher besteht ein dringlicher Bedarf an erweiterten Therapieformen.
Der neu entwickelte Mikrostromapplikator – von der Firma Berlin Heals GmbH entwickelt – wurde nun erstmals an der von Günther Laufer geleiteten Klinischen Abteilung für Herzchirurgie der MedUni Wien/AKH Wien in Zusammenarbeit mit der Klinischen Abteilung für Kardiologie (Leitung: Christian Hengstenberg) im Rahmen einer Studie in einem Menschen erfolgreich eingesetzt.
Stromfeld regt Zellen zur Regeneration an
Die OP-Methode erfolgt minimal-invasiv. Mit zwei kleinen Schnitten wird das Gerät unter Vollnarkose implantiert. Eine Elektrode liegt als Patch großflächig außen am Herzmuskel an, die andere Elektrode sitzt in der Herzkammer. Ein kleines vollimplantiertes Gerät gibt dann Mikrostrom ab, stimuliert die betroffenen Herzmuskelzellen und regt diese zur Regeneration an.
„Es geht darum, die Pumpfunktion des Herzens so zu verbessern, sodass wir den Patientinnen und Patienten eine Transplantation ersparen oder zumindest möglichst lange hinauszögern können“, erklärt Studienleiter Dominik Wiedemann von der Klinischen Abteilung für Herzchirurgie. Diese Methode ist für Menschen gedacht, bei denen die medikamentösen und sonstigen apparativen Therapieoptionen ausgereizt sind, die aber noch nicht dringend eine herzunterstützende Pumpe oder eine Transplantation benötigen.
Erfolgreiches Beispiel für translationale Medizin
Das Gerät wurde an der Abteilung für Biomedizinische Forschung der MedUni Wien unter der Leitung von Bruno Podesser gemeinsam mit der Firma Berlin Heals GmbH in einer Reihe von vorklinischen Studien entwickelt und getestet. Die nun erfolgte Übertragung in klinische Studien am Menschen innerhalb des gleichen Hauses beschleunigt den Entwicklungs- und Zulassungsprozess. Der erste damit behandelte Patient zeigt nach drei Monaten erste Anzeichen für eine gute Regeneration, und es wird untersucht, ob diese eine ausreichende klinische Relevanz zeigt. Derzeit werden zusätzlichen ProbandInnen für diese Studie gemeinsam mit Martin Hülsmann von der Klinischen Abteilung für Kardiologie rekrutiert.
„Die ersten Ergebnisse geben uns wirklich Hoffnung für Kardiomyopathiepatienten“, sagt Dominik Wiedemann, „Die Mikrostromregeneration könnte uns dem Traum der Regeneration geschädigter Organe einen Schritt näherbringen. Abgesehen von Herzersatzverfahren gibt es derzeit kaum wirksame Therapien. Gerade in Zeiten der Spenderorganknappheit ist es notwendig neue effektive Therapieverfahren zu entwickeln auch um den Patienten größere Eingriffe wie Herztransplantationen mit anschließender Immunsuppression möglichst zu ersparen.“
Fünf Forschungscluster an der MedUni Wien
Insgesamt sind fünf Forschungscluster der MedUni Wien etabliert. Dort werden in der Grundlagen- wie in der klinischen Forschung vermehrt Schwerpunkte an der MedUni Wien gesetzt. Die Forschungscluster umfassen medizinische Bildgebung, Krebsforschung/Onkologie, kardiovaskuläre Medizin, medizinische Neurowissenschaften und Immunologie. Die beschriebene Methode fällt in den Themenbereich des Clusters für kardiovaskuläre Medizin.
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