Detail

back to news

KidsAP: Smartes Blutzuckermanagement für Kleinkinder

07.01.2020

Test einer künstlichen Bauchspeicheldrüse an der Med Uni Graz

Immer häufiger erkranken Kinder und Jugendliche an Typ 1 Diabetes. So gab es in den letzten Jahren auch große Fortschritte im Bereich der Therapie dieser Erkrankung, vor allem im Bereich von Erwachsenen und Jugendlichen bzw. älteren Kindern. Kinder bis zum Volksschulalter werden nun im multinationalen EU-Projekt „KidsAP“ an der Medizinischen Universität Graz eine künstliche Bauchspeicheldrüse testen, um so wichtige Erkenntnisse über die optimale Blutzuckerkontrolle im jungen Alter für die Wissenschaft zu generieren.

Typ 1 Diabetes: Künstliche Bauchspeicheldrüse für automatisiertes Insulinmanagement

650.000 Österreicherinnen und Österreicher sind aktuell an Diabetes erkrankt, davon leiden rund 26.000 Menschen an Diabetes Typ 1. Etwa 1.500 Kinder unter 14 Jahren sind von Diabetes betroffen, hauptsächlich von Typ 1 Diabetes, also jener Erkrankungsform, bei der ein Insulinmangel vorherrscht. Im Rahmen des multinationalen EU-Projekts „KidsAP“ – EUR 4,9 Mio. Projektvolumen über 3 Jahre – erforschen WissenschafterInnen die Anwendung einer „künstlichen Bauchspeicheldrüse“ oder „Closed-Loop System“. Das im Rahmen des Projektes untersuchte „Closed-Loop System“ wurde an der University of Cambridge, UK, für die Anforderungen an die Blutzuckerkontrolle von Kleinkindern (Altersgruppe von 1-7 Jahre) entwickelt. Die Hauptstudie für das internationale Forschungsprojekt startete kürzlich an der Medizinischen Universität Graz. Unter anderem sind auch die Medizinischen Universitäten Innsbruck und Wien, die Universitäten Leipzig, Cambridge und das Teaching Hospital Leeds sowie die University of Edinburgh Teil des Netzwerkes.

Closed-Loop System: Mobile Blutzuckerkontrolle für mehr Lebensqualität

„Die Anzahl der Neuerkrankungen an Typ 1 Diabetes hat in den letzten Jahrzehnten im Kindes- und Jugendalter stark zugenommen“, berichten die beiden Studienleiterinnen Elke Fröhlich-Reiterer und Julia Mader von der Med Uni Graz. In den letzten Jahren gab es aber auch große Fortschritte im Bereich der Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Typ 1 Diabetes. Neue Glukosesensoren und Insulinpumpen erleichtern das Diabetesmanagement deutlich. Eine künstliche Bauchspeicheldrüse oder „Closed-Loop System“ kombiniert die jeweils am Körper getragene Insulinpumpe mit dem Glukosesensor. Die Menge an abgegebenem Insulin wird durch einen Kontrollalgorithmus gesteuert. „Auf Grund der kontinuierlichen Glukosemessung wird automatisch die aktuell benötigte Menge an Insulin berechnet und von der Pumpe automatisiert abgegeben“, beschreiben die beiden Expertinnen die Funktion einer künstlichen Bauchspeicheldrüse.

Ein erstes kommerzielles System, das Medtronic 670G System, steht nach Freigabe durch die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) in den USA und Freigabe der europäischen Behörden seit kurzem auch in Österreich zur Verfügung. Zunächst ist der Einsatz dieses Systems jedoch ausschließlich bei Erwachsenen und Jugendlichen und Kindern mit Typ 1 Diabetes ab 7 Jahren vorgesehen. Zulassungsstudien anderer Forschungsgruppen und Hersteller sind im Gange bzw. in Planung.

Smartes Management: Gute Blutzuckereinstellung schützt vor Komplikationen

Das „Closed-Loop System“, welches im KidsAP Projekt verwendet wird, setzt sich aus einem Glukosesensor, einer Insulinpumpe und einem Smartphone zusammen. Diese im Handel erhältlichen Komponenten kommunizieren ohne weitere Hilfsmittel miteinander. Das Herzstück dieses Systems ist die auf dem Smartphone installierte App, welche von der University of Cambridge entwickelt wurde. Diese App kann anhand der vom Glukosesensor gemessenen und übermittelten Zuckerwerte, die optimale Menge an Insulin berechnen, welche zum jeweiligen Zeitpunkt benötigt wird, um die Zuckerwerte in einem optimalen Bereich zu halten.

Frühere Studien zeigten, dass sich die Blutzuckereinstellung unter Verwendung dieses Systems verbessern konnten. „Die StudienteilnehmerInnen blieben mit ihren Glukosewerten länger im erwünschten Bereich, gleichzeitig reduzierten sich zu hohe und zu niedrige Zuckerwerte“, so die Wissenschafterinnen. Diese Studien wurden bis dato an Erwachsenen, Jugendlichen, Schulkindern, Schwangeren und auch Patientinnen und Patienten mit Typ 2 Diabetes durchgeführt. Doch gerade Klein- und Vorschulkinder könnten am meisten von der künstlichen Bauchspeicheldrüse profitieren, da Kleinkinder ausgeprägte Blutzuckerschwankungen und einen sehr geringen Insulinbedarf aufweisen. „Außerdem steht ihnen eine lange Krankheitsdauer bevor, bei der zukünftige Komplikationen durch gute Blutzuckereinstellungen vermieden werden können“, ergänzt Elke Fröhlich-Reiterer.

KidsAP: Insulinmanagement bei Kleinkindern im Fokus der Wissenschaft

Die Pilotstudie des KidsAP Projekts wurde im Sommer 2017 gestartet und ist mittlerweile erfolgreich beendet. Die Kinder trugen den „Closed-Loop“ für insgesamt 6 Wochen im häuslichen Umfeld. „Die Eltern berichteten zusätzlich zu den Vorteilen einer guten Blutzuckerkontrolle über positive Effekte in Alltag, vor allem über stabilere und somit erholsamere Nächte, sowohl für die kleinen Kinder als auch für die Erwachsenen selbst, da sie nachts nicht mehr regelmäßig aufstehen mussten, um den Blutzucker ihres Kindes zu überwachen“, beschreiben die Wissenschafterinnen die Vorteile des Systems.

Kürzlich startete nun die zweite Studie des EU-Projekts an der Med Uni Graz. Die Kinder werden das „Closed-Loop System“ für 4 Monate zu Hause unter normalen Routinebedingungen tragen. Ziel ist es die Sicherheit, Verbesserung des Langzeitzuckerwertes (HbA1c), und die Verwendbarkeit (Benutzerakzeptanz und Nutzungsdauer) während dieser Zeit zu überprüfen und Daten zur Lebensqualität zu erfassen. An dieser Studie dürfen Kinder im Alter von einem bis sieben Jahren mit Typ 1 Diabetes und Insulinpumpentherapie teilnehmen.

Weitere Informationen und Kontakt

Priv.-Doz.in Dr.in Elke Fröhlich-Reiterer
Klinische Abteilung für Allgemeine Pädiatrie
Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde
Tel.: +43 316 385 80562
elke.froehlich-reiterer@medunigraz.at
http://kidsap.mrl.ims.cam.ac.uk/