Marsmission: Astronauten und Mikroben – (k)eine riskante Kombination?
Mikrobiom auf der ISS gleicht einem Durchschnittsbadezimmer
In rund 15 bis 20 Jahren könnte es bereits soweit sein und die erste bemannte Mission zum roten Planeten könnte an den Start gehen. Dabei muss sichergestellt werden, dass die Astronauten während der mehr als 500 Tage dauernden Reise gesund bleiben und Mikroorganismen die Gesundheit nicht negativ beeinflussen. Ebenso dürfen Mikroben keinen schädlichen Einfluss auf die Technik an Bord ausüben. WissenschafterInnen an der Med Uni Graz haben nun Proben von der Internationalen Raumstation ISS untersucht und herausgefunden, dass wohl keine direkte Gefahr vom Mikrobiom in einem Raumschiff für die Besatzung ausgeht. Dennoch müssen Qualitätsstandards entwickelt werden, um die Stabilität des Kernmikrobioms sicherzustellen, um so Epidemien oder technische Schwierigkeiten verhindern zu können. Die Forschungsergebnisse wurden aktuell in „Nature Communications“ publiziert.
Bemannte Mars-Mission: Gesundheit der Astronauten im Fokus
Der Traum von einer bemannten Mars-Mission rückt immer näher und könnte bereits in rund 15 bis 20 Jahren Wirklichkeit werden. Die Vorbereitungen dazu laufen jedenfalls bereits auf Hochtouren. So gilt es auch die Gesundheit der Astronauten und die Funktionstüchtigkeit der Raumfahrzeuge auf der immerhin rund 500 Tage dauernden Reise durch den Weltraum im Auge zu behalten. „In beiden Fällen spielen Mikroorganismen eine wichtige Rolle“, erklärt Univ.-Prof.in Dr.in Christine Moissl-Eichinger, Professorin für Interaktive Mikrobiomforschung an der Medizinischen Universität Graz.
Der Mensch trägt ca. 1014 – also 100 Billionen – Mikroorganismen mit sich. „Die meisten befinden sich im Darm und auf der Haut“, ergänzt die Expertin. Das sogenannte „Mikrobiom“ übernimmt im Körper wichtige Aufgaben und Funktionen und reist natürlich auch mit den Astronauten ins Weltall. Seit dem Jahr 2000 ist die hermetisch abgeriegelte Internationale Raumstation ISS permanent durch eine Crew bewohnt und damit auch die Heimat unzähliger Mikroorganismen geworden. Daraus ergeben sich möglicherweise verschiedene Probleme: Mikroorganismen können in der Raumstation beispielsweise zu einem Risiko für die Technik an Bord werden, da sie Oberflächen angreifen können. Zudem ist das Immunsystem der Astronauten im Weltraum herabgesetzt, wodurch sie empfänglicher für mikrobielle Infektionen werden. „Aus diesen Gründen muss das Mikrobiom an Bord eines Raumschiffes kontrollierten Bedingungen unterliegen“, sagt Christine Moissl-Eichinger.
Lebensraum Raumstation: Einblicke bis in das „Stille Örtchen“
Im Rahmen des von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft FFG geförderten Forschungsprojektes „Archaeelle und bakterielle Extremophile an Bord der Internationalen Raumstation – ARBEX“ wurden die Auswirkungen der Bedingungen der ISS auf die Diversität und Funktion der Mikroorganismen an Bord untersucht, und mit dem „normalen“ Mikrobiom von Gebäuden und Umgebungen auf der Erde verglichen. Innerhalb dieses Projektes fand 2017 eine Probennahme auf der ISS statt: Angeleitet vom Team um Christine Moissl-Eichinger, entnahm US Astronaut Jack Fischer Wischproben von verschiedenen Oberflächen in der ISS. So wurde das Columbus Modul beprobt sowie die Schlafplätze der Astronauten und das sogenannte WHC (waste and hygiene compartment), inklusive dem Toilettenbereich.
Die Wischproben aus der ISS wurden in mühevoller Kleinarbeit mittels „next-generation sequencing“ und kultivierungsbasierten Ansätzen analysiert und die Ergebnisse hieraus kürzlich in Nature Communications publiziert. Das internationale Team (Österreich, Deutschland, Großbritannien, Russland, Niederlande) gibt nach sorgfältiger Analyse Entwarnung: „Das ISS Mikrobiom unterscheidet sich bezüglich Antibiotika-Resistenzen und anderer, möglicherweise gesundheits-beeinträchtigenden Eigenschaften, nicht vom Mikrobiom einer Innenraum-Umgebung auf der Erde und entspricht etwa einem klassischen Badezimmer-Mikrobiom, bestehend aus einer Mischung von Haut-, Darm- und Umgebungsmikroorganismen“, fasst Christine Moissl-Eichinger zusammen.
Qualitätsstandards und Monitoring für die Sicherheit von Crew und Raumschiff
Was die Mikroben auf der ISS aber besonders gut können ist „Schlafen“, Austrocknung überstehen und mit Oberflächen interagieren. „Besonders die metallischen Oberflächen scheinen die Mikroben unter Stress zu setzen“, so die Expertin. Metall- und Oberflächen-assoziierte Funktionen wurden auf genomischer Ebene deutlich erhöht nachgewiesen und durch weitere Versuche im Labor belegt. Im Rahmen des Projektes wurden mehrere hundert Mikroorganismen von der ISS isoliert, darunter Bakterien und Pilze, die für weitere Versuche nun zur Verfügung stehen.
Obwohl keine offensichtliche „Gefahr“ vom Mikrobiom innerhalb eines Raumschiffs für den Menschen ausgeht, müssen trotzdem Qualitätsstandards und Monitoring für den bemannten Raumflug entwickelt werden, um die Stabilität des Kernmikrobioms zu gewährleisten, und Epidemien oder technische Schwierigkeiten zu verhindern.
Anbei eine Abbildung zu Ihrer Verwendung. Darauf zu sehen ist ein Modell der ISS und eine Probe von der ISS in einer Petrischale. Bild: Med Uni Graz
Weitere Informationen:
Univ.-Prof.in Dr.in Christine Moissl-Eichinger
Professorin für Interaktive Mikrobiomforschung
Medizinische Universität Graz
Tel.: +43 316 385 72808
christine.moissl-eichinger@medunigraz.at
https://doi.org/10.1038/s41467-019-11682-z