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Narbenlunge: Forschung gegen krankhafte Bindegewebsvermehrung in der Lunge

14.06.2022

Grenzen der Therapie: Pirfenidon nicht für jede Form der Lungenfibrose geeignet

Lungenfibrose ist eine schwerwiegende Erkrankung, die dramatische Veränderungen des Lungengewebes bis hin zu Verhärtungen und Vernarbungen hervorruft. Betroffene leiden unter starken Atembeschwerden und Sauerstoffmangel, was ihre Lebensqualität deutlich vermindert. Um ein besseres Verständnis der zugrunde liegenden Krankheitsmechanismen zu bekommen und optimale Behandlungsstrategien für Patient*innen mit Lungenfibrose zu entwickeln, wurde nun im Rahmen eines Forschungsprojektes der Medizinischen Universität Graz und des Ludwig Boltzmann Institutes für Lungengefäßforschung ein neuer Ansatz eines schon bekannten Wirkstoffes untersucht. Dabei stand das Medikament Pirfenidon im Fokus, das hinsichtlich seiner Vorteile und Risiken analysiert wurde.

Wenn die Lunge versteift und das Atmen schwerfällt

Bei der Lungenfibrose, im Volksmund auch „Narbenlunge“ genannt, liegt eine chronische Entzündung des Bindegewebes in der Lunge vor, die nicht nur eine starke krankhafte Vermehrung des Lungenbindegewebes auslöst, sondern auch Verhärtungen und Vernarbungen des Gewebes hervorruft. Dadurch wird mitunter auch die Wand der Lungenbläschen dicker, der Abstand zwischen Atemluft und Blutgefäßen größer und der Gasaustausch beeinträchtigt. Darunter leidet letztlich auch die Sauerstoffversorgung im Blut, wodurch es bei Betroffenen neben Atemnot zu einer bläulichen Färbung der Haut kommen kann. Die Krankheitsursachen und Risikofaktoren für Lungenfibrose sind nach wie vor nicht restlos geklärt, jedoch sind einige Auslöser bekannt, die die Entzündung der Lungenbläschen begünstigen. So kann die Erkrankung etwa durch Infektionen, Schadstoffe, Allergene und Medikamente ausgelöst, aber auch durch Autoimmunerkrankungen wie beispielsweise die Bindegewebskrankheit Sklerodermie hervorgerufen werden. Wenn die Lungenfibrose spontan auftritt, spricht man von der idiopathischen Form, deren Ursachen noch weitgehend unbekannt sind. Sie schreitet meist rasch voran und geht mit einer verkürzten Lebenserwartung einher.

Anti-fibrotischer Effekt durch Wirkstoff Pirfenidon

Bei der Sklerodermie (auch systemische Sklerose genannt) können nicht nur das Bindegewebe und die Haut, sondern auch Muskeln, Gelenke und innere Organe betroffen sein. „Ist auch die Lunge betroffen, kommt es oftmals zu Lungenhochdruck und Lungenfibrose. Jene Sklerodermie-induzierte Lungenfibrose steht aktuell in unserem Forschungsfokus“, so Anna Birnhuber vom Lehrstuhl für Physiologie am Otto Loewi Forschungszentrum der Med Uni Graz und am LBI für Lungengefäßforschung. Obwohl gängige Behandlungen den Verlauf der Lungenfibrose verlangsamen können, bieten sie keine Möglichkeit auf Heilung. Grund genug für Anna Birnhuber und ihre Kolleg*innen, den Krankheitsmechanismen nachzugehen, um neue Therapieansätze zu finden. Hierfür untersuchten die Wissenschafter*innen im Mausmodell, ob das für idiopathische Lungenfibrose bereits angewandte Medikament Pirfenidon ähnlich vielversprechende Effekte in der Behandlung der Sklerodermie-induzierten Erkrankung haben könnte. Der Wirkstoff ist dafür bekannt, Vernarbungsprozesse in der Lunge bei idiopathischer Lungenfibrose zu verlangsamen.

Schwere Nebenwirkungen bei Sklerodermie-induzierter Lungenfibrose

Im Modell der idiopathischen Lungenfibrose zeigte der Wirkstoff den bekannten anti-fibrotischen Effekt und reduzierte Vernarbungen der Lunge. „Wurde Pirfenidon jedoch im Modell der Sklerodermie-induzierten Lungenfibrose angewandt, führte es zu schweren Nebenwirkungen mit vermehrten Entzündungsherden und sogar weiteren Vernarbungen der Lunge“, beschreibt Anna Birnhuber die Beobachtungen. Genauere Untersuchungen zeigten, wodurch diese Nebenwirkungen ausgelöst werden: Das Medikament führt im Sklerodermie-Modell zu zusätzlichen Verletzungen der Endothelzellen, jener Zellen, die unsere Blutgefäße auskleiden. Die Forschungsgruppe gibt an, dass Endothelzellen bei einer Sklerodermie bereits durch spezifische Entzündungsprozesse und –mediatoren geschädigt sind und deshalb sensitiver auf eine Behandlung mit Pirfenidon reagieren. „So führt der Wirkstoff in vorgeschädigten Endothelzellen zu einer erhöhten Durchlässigkeit der Blutgefäße, wodurch auch vermehrt Entzündungszellen ins Lungengewebe einwandern, die die Lungenfibrose weiter verschlechtern können“, so das Fazit der Wissenschafterin.

Die Studie wurde im renommierten „European Respiratory Journal“ publiziert und unterstreicht einmal mehr, wie wichtig das genaue Verständnis zugrunde liegender Krankheitsmechanismen für eine optimale Behandlungsstrategie für Patient*innen mit Lungenfibrose ist.

Weitere Informationen und Kontakt:

Univ.-Ass.in Anna Birnhuber, PhD, MSc
Medizinische Universität Graz
Lehrstuhl für Physiologie
Otto Loewi Forschungszentrum
LBI für Lungengefäßforschung
Tel.: +43 316 385 73864
E-Mail: anna.birnhuber@medunigraz.at