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Österreichischer Krebsreport: Fortschritte in der Versorgung von Menschen mit Krebs

24.01.2023

In der zweiten Auflage des – schon als Standardwerk geltenden – Österreichischen Krebsreports stellen die Expert:innen von Österreichischer Gesellschaft für Hämatologie & Medizinische Onkologie (OeGHO,) Österreichischer Krebshilfe und Statistik Austria markante Fortschritte in der Krebsversorgung fest. So konnte dank intensiver Forschung bei bestimmten Tumorarten eine signifikante Verbesserung des Überlebens erzielt werden. Gleichzeitig weisen die Autor:innen aber darauf hin, dass 50 % aller Krebs-Todesfälle mit (noch besserer) Vorsorge vermeidbar wären.

Mit dem zweiten Österreichischen Krebsreport bieten die Österreichische Gesellschaft für Hämatologie & Medizinische Onkologie (OeGHO) und die Österreichische Krebshilfe auch dieses Jahr wieder einen umfassenden Überblick über epidemiologische Daten und Fortschritte in der Früherkennung, in der Forschung und in der Versorgung von Krebspatient:innen. „Wir haben Daten erhoben, den wissenschaftlichen Output gescreent, Innovationen in Diagnose sowie Therapie aufgenommen und die Strukturen analysiert. In der Bewertung der Entwicklung war jedoch immer der Mensch die Messlatte. Denn letztlich steht aus unserer Sicht nicht die Krebserkrankung im Fokus, sondern der Mensch, der an Krebs erkrankt ist“, betont Prim. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Hilbe, Präsident der OeGHO. „Zusammenfassend kann man sagen: Es wird mit immer größerem Output geforscht. Auch heimische Forscher:innen sind daran in maßgeblicher Weise beteiligt. Und Innovation kommt bei den Patient:innen an. Um nur zwei Beispiele zu nennen: Patient:innen mit einem gastrointestinalen Stromatumor hatten vor 20 Jahren eine Lebenserwartung von unter 12 Monaten, heute haben sie mit einer täglichen Tabletteneinnahme eine fast normale Lebenserwartung. Bei einem metastasierten Lungenkarzinom war nach zwei Linien Chemotherapie die Lebensperspektive mit 12 Monaten erreicht, heute können in 30% der Fälle Treibermutationen festgestellt und gezielt therapiert werden, was die Lebenserwartung statt in Monaten in Jahren bemessen lässt.“

Epidemiologie – signifikante Verbesserung des Gesamtüberlebens bei bestimmten Krebsarten

Wie sich die Fortschritte bei den wichtigsten Indikationen im Detail abbilden, führt der Österreichische Krebsreport im Kapitel „Epidemiologie“ aus, das in dieser Ausgabe die Überlebenswahrscheinlichkeiten nach einer Krebsdiagnose in den Fokus stellt. Diese Kennzahlen der Krebsstatistik werden aus den Daten des Österreichischen Nationalen Krebsregisters von Statistik Austria berechnet. Mag. Dr.scient.med. Monika Hackl, Leiterin des Österreichischen Nationalen Krebsregisters dazu: „Wir stellen die häufigsten Tumorlokalisationen in Absolutzahlen dar und geben über die Überlebenswahrscheinlichkeiten Auskunft – auf kompakte Weise und anschaulich erklärt anhand eines gut nachvollziehbaren Beispiels.“

  • Eine gute Prognose hinsichtlich Überlebenswahrscheinlichkeit wird etwa bei Brust-, Prostata-, Schilddrüsen- und Hodenkrebs erreicht. Da liegt das kumulierte relative Überleben drei Jahre nach Diagnosestellung bei 90,6 % bis 96,6 %.
  • Eine signifikante Verbesserung der Überlebenswahrscheinlichkeit wurde in den letzten Jahren bei Tumoren der Niere, von Kopf & Hals sowie des Magens erreicht. Da kommen die Werte inzwischen auf 81,5 % (Niere), 60,4 % (Kopf & Hals) und 41,6 % (Magen).
  • Mit einer schlechter Prognose sind immer noch Patient:innen mit Lungen-, Speiseröhren-, Leber- oder Bauchspeicheldrüsenkrebs konfrontiert. Bei diesen Indikationen beträgt das kumulierte relative Überleben drei Jahre nach Diagnosestellung zwischen 30,2 % und 15,6 %.

Krebsvorsorge und Früherkennung – Vom Plan in die Umsetzung

Vor dem Hintergrund der aktuellen Zahlen weist Univ.-Prof. Dr. Paul Sevelda, Präsident der Österreichischen Krebshilfe, auf die Bedeutung von Krebsvorsorge und Früherkennung hin: „Auch wenn das nicht neu ist, kann man die Wichtigkeit dessen nicht oft genug unterstreichen. Denn 50 % aller Krebs-Todesfälle in Europa könnten vermieden werden, wenn zwölf Empfehlungen des Europäischen Kodex gegen Krebs[1] eingehalten werden würden.“ Besonders wesentlich seien, so Sevelda, regelmässige Bewegung und gesunde Ernährung zur Vermeidung von starkem Übergewicht, Impfungen gegen HPV, Hepatitis B und Hepatitis C, Vermeidung von Nikotin- und (übermäßigem) Alkoholkonsum sowie Teilnahme an den empfohlenen Früherkennungs-Untersuchungen – insbesondere gegen Brustkrebs, Dickdarmkrebs und Gebärmutterhalskrebs.

Neu ist dabei die geänderte Empfehlung zur Darmkrebsvorsorge: „Das Nationale Screening Komitee rät auf Basis der Evidenz zu Untersuchungen ab 45, und nicht wie bisher ab 50 – entweder mit Koloskopie oder mit dem Immunologischem Blutstuhltest (FIT)“, sagt Sevelda. „Ebenso wichtig ist aber auch die HPV-Impfung, die ab Februar 2023 allen Kindern und Jugendlichen vom vollendeten 9. Lebensjahr bis zum vollendeten 21. Lebensjahr kostenlos zur Verfügung steht und auch den Grundwehrdienern angeboten wird.“

Versorgung von Krebspatient:innen – bahnbrechende Innovationen in den letzten Jahren

Patient:innen mit einer Krebserkrankung werden derzeit in einem komplexen medizinischen System betreut, welches von der Diagnostik mit Molekularpathologie und Nuklearmedizin über die patient:innenzentrierte Gesprächsführung und intramurale Behandlung bis hin zur extramuralen Versorgung reicht. Bahnbrechende Innovationen haben hier Platz gegriffen. Eine tumorspezifische Bildgebung wie das sogenannte PSMA-PET-CT beim Prostatakrebs erlaubt etwa, dass Ausbreitungsstadium der Erkrankung exakter denn je zu erkennen und dadurch Über- bzw. Untertherapie zu verhindern. Hinzu kommt die verbesserte Untersuchung des Tumorgewebes: „Ohne Molekularpathologie ist heute keine Präzisionsmedizin denkbar“, meint Univ.-Doz. Dr. Ansgar Weltermann, Vorstandsmitglied der Österreichischen Krebshilfe. „Methoden wie Next Generation Sequencing (NGS) oder Liquid Biopsy ermöglichen uns, die Art der Krebserkrankung besser zu verstehen. Nicht selten findet man eine genetische Veränderung in den Krebszellen, die eine auf den Tumor zugeschnittene medikamentöse Therapie erlaubt und die Chance der Patient:in auf ein gutes Therapieansprechen verbessert.“

Drei weitere Bereiche sind Weltermann im Hinblick auf die Qualität der Versorgung von Krebspatient:innen wichtig: „In den letzten fünf Jahren wurden über 130 neue Krebs-Medikamente von der EMA registriert. Das ist herausragend. Für uns als Onkolog:innen ist aber bedeutsam, den Nutzen eines Medikamentes in den ersten zwei Jahren nach Zulassung für die einzelnen Patient:innen zu bewerten – was oft gar nicht so einfach ist. Deshalb ist das Bewertungssystem der ESMO unverzichtbar geworden.“ Weiters ist ihm die patient:innenzentrierte Kommunikation ein Anliegen, weil nachweislich ein Drittel der Österreicher:innen auf Basis der ärztlichen Informationen keine Entscheidung zu ihrer Erkrankung treffen kann. Und nicht zuletzt fordert er den forcierten Ausbau der Palliativ- und Hospizversorgung. „Seit der Enquete im Jahr 2014 ist angesichts der steigenden Zahlen älterer Menschen mit Krebserkrankung viel zu wenig investiert worden.“

Forschung – Österreichische Forscher:innen legen beeindruckend viele Publikationen vor

Basis der Fortschritte in der Behandlung ist die Forschung, welche im Österreichischen Krebsreport mit Bezug auf Österreich ebenfalls dargestellt wird. Eine zentrale Rolle spielen dabei die drei Comprehensive Cancer Center (CCC) in Wien, Graz und Innsbruck sowie das Comprehensive Cancer Network. „Mit diesen Strukturen wird klinische Forschung möglich gemacht, die interdisziplinär und interprofessionell abläuft und den Patient:innen Zugang zu flächendeckender innovativer Krebsmedizin verschafft“, sagt Assoz.-Prof. Priv.-Doz. Dr. Armin Gerger, Wissenschaftlicher Leiter des Österreichischen Krebsreports.

„Sieht man sich den publikatorischen Output der österreichischen Krebsforschung mittels ‚Web of Science-Auswertung‘ an, zeigen sich beeindruckende Erfolge“, so Gerger. „Die Zahl der Originalarbeiten in onkologischen Fachjournalen ist von 2020 auf 2021 von 670 auf 724 gestiegen - inzwischen erscheinen also jeden Tag zwei Publikationen aus Österreich, die zum Fortschritt in der Onkologie beitragen. Publikationen in nicht spezifisch onkologisch gelisteten Fachjournalen haben sich ebenfalls von 517 auf 614 erhöht. Bei allen Erfolgen muss man aber kritisch anmerken, dass Rahmenbedingungen für akademisch-klinische Forschung, beispielweise Investigator-initiated trials oder real world data, in Österreich nicht ausreichend vorhanden sind. Hier ist klar Nachholbedarf.“

Fortschritte brauchen innovationsfreundliche Kultur und finanziellen Rahmen

„Diese Erfolge in allen Bereichen – von der Forschung über die Vorsorge bis hin zur Behandlung – kommen aber nicht von selbst“, betont Wolfgang Hilbe. „Wir brauchen eine Kultur, die sich der Innovation öffnet. Wir brauchen Expert:nnen, die den Wert der Innovation einstufen und zu den Patient:nnen bringen können. Wir brauchen ein Gesundheitssystem, das der Innovation auch den finanziellen Rahmen gibt, der notwendig ist.“

Der Krebsreport wird an alle relevanten Stakeholder als gedrucktes Exemplar weitergegeben. Er ist außerdem auf www.krebsreport.at zugänglich und wird über Social Media wie Facebook, LinkedIn und Instagram geteilt.

Rückfragen & Kontakt:

Österreichische Gesellschaft für Hämatologie & Medizinische Onkologie
Walter Voitl-Bliem, MBA
Geschäftsführer
+43 (664) 4053646
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www.oegho.at