Detail

Papierbasierte Biosensoren bringen das Labor in die ärztliche Praxis

23.11.2022

AIT Koordiniertes EU Projekt IMPETUS eröffnet neue Wege für die Diagnostik

Das Biomolekülnachweisverfahren, das im vom AIT Experten Rainer Hainberger koordinierten EU-Projekt „IMPETUS“ entwickelt wurde, verbindet Papier-, Druck- und Mikrochip-Technologien und schließt die Lücke zwischen Schnelltests und Laboranalysen.

Hainberger ist sich sicher, dass papierbasierte Biosensoren die Zukunft sind und meint: „Alles, was Ärzt:innen benötigen, ist ein Smartphone mit der passenden App, um das Ergebnis abzulesen. Papierbasierte diagnostische Testsysteme sind günstig und umweltfreundlich und bringen das Labor in die ärztliche Praxis. Die im Projekt entstandene Pilotlinie ist eine wichtige Grundlage für den nächsten Schritt von reparativer zur präventiver Gesundheitsversorgung.“

Ist eine Behandlung mit Antibiotika zielführend? Zwischen bakterieller und viraler Infektion schnell und kostengünstig zu unterscheiden war nur ein Anwendungsbeispiel für die im EU-Projekt IMPETUS entwickelten Ferigungsverfahren für papierbasierte Biosensoren. Das EU-Projekt unter der Leitung von AIT Biosensor Experten Rainer Hainberger, Competence Unit Molecular Diagnostics des Center for Health and Bioresources, endete mit Oktober 2022 und hatte zum Ziel Papier-, Druck- und Mikrochiptechnologien zu kombinieren, um eine Pilotlinienfertigungsanlage in industrieller Umgebung umzusetzten. Mit Hilfe der Pilotlinie, welche bei dem IMPETUS-Partner tagtron GmbH in Vöcklabruck aufgebaut wurde, sollen vollständig integrierte papierbasierte elektrochemische Biosensoren hergestellt werden, welche die Testresultate direkt auf ein Smartphone übertragen können. Die meisten Infektionskrankheiten bedürfen einer abgestimmten Behandlung, diese kann nur erfolgen, wenn das medizinische Fachpersonal die Infektion auch identifizieren kann. Labortests sind aufwending, kostenintensiv und brauchen oft zu lange. Hier setzte das Projekt an und entwickelte die Basis, um rasch und kostengünstig auf einzelne Krankheiten abgestimmte Tests zu realisieren. Das neuartige papierbasierte Diagnosetestkartenkonzept wird eine quantitative Messung von Biomolekülen im Blut durch medizinisches Fachpersonal in der Praxis direkt vor Ort erlauben.

Einfache Anwendung

Das neue Nachweisverfahren verbindet Papier-, Druck- und Mikrochip-Technologien und schließt die Lücke zwischen diversen Schnelltests und aufwendigen Laboranalysen. Entscheidend für den Durchbruch ist aber vor allem, dass das Diagnoseverfahren nicht nur schnelle und treffsichere Ergebnisse liefert, sondern auch einfach in der Anwendung und kostengünstig ist. Auf einen Papierstreifen werden die notwendigen Funktionalitäten der elektrochemischen Biosensortestkarte aufgedruckt und ein Mikrochip appliziert. Die Pilotlinienfertigungsanlage, welche die massenfertigungstaugliche Herstellung des Biosensors mit all seinen Einzelkomponneten ermöglichen soll, wurde bei tagtron realisiert. Dazu entwickelte man geeignete Sieb-, Flexo- und Tintenstrahldruckprozesse sowie eine neuartige Methode zur Chipmontage für eine Rolle-zu-Rolle-Produktion. Darüber hinaus wurde ein spezielles Papier, das den vielfältigen Ansprüchen des Diagnosetestkartenkonzepts gerecht wird, erarbeitet. Für einen Test werden wenige Tropfen der zu untersuchenden Körperflüssigkeit auf die Testkarte aufgebracht. Nach einem vollkommen autark ablaufenden Messvorgang zur Bestimmung der Konzentration der, für die jeweilige diagnostische Fragestellung, relevanten Biomoleküle werden die Messdaten von der Testkarte auf das Smartphone übertragen Das Ergebnis kann zum Beispiel an ärztliches Personal weitergeleitet werden. Entwickelt wird dieses papierbasierte Diagnosekartensystem vor allem für niedergelassenes medizinisches Fachpersonal, welches damit keine teuren Analysegeräte anschaffen muss. Außerdem eignet sich dieses Testverfahren für Regionen, in denen medizinische Versorgung und Diagnostik nicht ausreichend vorhanden sind. Die Einwegtests haben die Größe einer Kreditkarte. Ein energieeffizienter Siliziummikrochip, der von der Infineon Technologies Austria AG entwickelt wurde, sorgt für die elektrochemische Signalerfassung, Speicherung und kontaktlose NFC-Datenübertragung. Eine gedruckte Batterie genügt hierbei zur Energieversorgung. Das gesamte System ist so weit wie möglich nachhaltig ausgelegt, die Verpackungen und ähnliche Teile werden aus nachhaltigen Werkstoffen gefertigt, Kunststoff wird durch Papier ersetzt. Die Kosten für einen einzelnen Test sind, nach der Pilotphase, mit unter 20 Euro geplant. Projektkoordinator Rainer Hainberger erklärt „Alles, was der Arzt benötigt, ist ein Smartphone mit der passenden App, um das Ergebnis abzulesen. Papierbasierte diagnostische Testsysteme sind günstig und umweltfreundlich und bringen das Labor in die ärztliche Praxis.“ Hainberger leitet die Gruppe für diagnostische Biosensoren der AIT Competence Unit Molecular Diagnostics. Die Arbeitsgruppe kann auf jahrelange Erfahrung im Bereich der Entwicklung von Sensorlösungen für die patientennahe Diagnostik zurückgreifen, die für den derzeit stattfindenden Wandel des Gesundheitssystems, weg von reparativer hin zu präventiver Medizin, benötigt werden. Das interdisziplinäre Team aus Physikern, Chemikern, Biologen und Elektrotechnikern arbeitet an Konezpten, die eine engmaschige Überwachung des menschlichen Gesundheitszustands zulassen.

Partner

An dem durch Mittel der Europäischen Union geförderten Horizon 2020 Forschungsprojekts (Grant No. 761167) waren renommierte Partner beteiligt: • vier Forschungsinstitute: AIT Austrian Institute of Technology GmbH, Silicon Austria Labs GmbH, Papiertechnische Stiftung, Technische Universität Chemnitz • fünf KMU: Maurer Services GmbH, Maurer Engineering UG, Pro-Active sprl, Saralon GmbH, tagtron GmbH • fünf große Unternehmen: Felix Schoeller Holding GmbH & Co KG, Infineon Technologies Austria AG, R-Biopharm AG, Ricoh UK Products Ltd, Sun Chemical Ltd

Weitere Informationen über das Center: https://www.ait.ac.at/

Rückfragen & Kontakt:

Fabian Purtscher
Marketing and Communication
Center for Health & Bioresources
AIT Austrian Institute of Technology
T +43(0) 50550-4406 | M +43(0) 664 8251322
fabian.purtscher@ait.ac.at | http://www.ait.ac.at