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Patentschutz bei COVID-19-Impfungen: Lösung gefunden, Problem noch zu suchen

23.03.2022

Der Kompromiss der WTO untergräbt das Forschungsökosystem und versucht, ein Problem der Impfstoffproduktion zu lösen, das nicht mehr existiert.

Seit Wochen wird darüber diskutiert, ob und wenn ja, auf welche Weise der Patentschutz auf COVID-19-Impfungen und -Therapien ausgesetzt werden soll. Dazu sagt PHARMIG-Generalsekretär Alexander Herzog: „Der Kompromiss, der nun in der Welthandelsorganisation auf dem Tisch liegt, wird das Verteilungsproblem nicht beheben. Man hat eine Lösung formuliert, ohne das dazugehörige Problem zu haben. Denn der Grund, warum COVID-19-Impfstoffe nicht in allen Teilen der Welt gleichermaßen verfügbar sind, sind nicht der Patentschutz und nicht der Mangel an produzierten Impfstoff-Dosen, sondern es sind die Handelshemmnisse, vor allem aber die mangelhaften Infrastrukturen sowie der Personalmangel vor Ort und die allerorts gewachsene Impfskepsis.“

13 Milliarden Impfdosen wurden bis zum heutigen Tag produziert und mittlerweile sind die Hersteller in der Lage, über eine Milliarde Impfdosen jeden einzelnen Monat zu produzieren. Drei Milliarden wurden bereits in Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen geliefert, eine davon wartet nach wie vor auf ihre Verteilung. „Das offenbart ganz eindeutig und unmissverständlich, dass es nicht an den produzierten Mengen liegt, wenn nicht alle Länder der Erde gleichermaßen mit dem Verimpfen dieser Impfstoffe vorankommen. Der Patentschutz hat damit rein gar nichts zu tun“, betont Herzog.

Wird der Patentschutz aufgeweicht, wird damit das gesamte Ökosystem der Forschung und Entwicklung geschwächt. Dieses lebt davon, Geld in risikoreiche Projekte zu investieren, weil man sich am Ende des Tages einen Erfolg erhofft. Dieser Erfolg kann dank des Patentschutzes zumindest eine bestimmte Zeit lang abgesichert werden. „Hebt man diesen nun bei so bedeutsamen Innovationen wie COVID-19-Impfungen auf, ist das ein fatales Zeichen für zukünftige Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten“, ist Herzog überzeugt.

Die Aufhebung des Patentschutzes soll laut dem Kompromiss zeitlich befristet und nur für Länder gültig sein, die im Jahr 2021 weniger als 10 Prozent der weltweit produzierten COVID-19-Impfstoffe exportiert haben. „Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass wichtige Daten von Entwicklungs- und Herstellungsprozessen durch die Weitergabe für immer entwertet sind. Da mag man die wertvollen Dokumente wieder in den Schrank sperren, wie man möchte. Eine zeitliche Befristung ist in dieser Hinsicht vollkommen wirkungslos. Man sollte es daher als weitsichtig anerkennen, dass sich die EU und einzelne Länder bisher gegen eine Patent-Weitergabe ohne jegliche finanzielle Entschädigung ausgesprochen haben, anstatt dies als ‚Armutszeugnis‘ zu entwerten“, so Herzog. Der Treiber für die seit Monaten schwelende Patentschutz-Debatte seien für Herzog nicht nur die Bemühungen, die Weltbevölkerung zu schützen, sondern ganz klar auch wirtschaftliche Interessen lokaler Industrien, für die sich manche Organisationen offensichtlich instrumentalisieren lassen.

Absurderweise würde der jetzige Kompromiss beispielsweise Indien, das ohnehin bereits der drittgrößte Hersteller von COVID-19-Impfstoffen ist, noch zusätzlich belohnen: Indien hatte letztes Jahr die Ausfuhr der im Land produzierten COVID-19-Impfstoffe auf drei Prozent drastisch reduziert. Damit zählt es zu den Ländern, die weniger als zehn Prozent der produzierten Impfstoffe exportiert haben und die dadurch gemäß dem Kompromiss die COVID-19-Impfstoffe frei und ohne jegliche finanzielle Abgeltung produzieren dürften. „Das kommt einem Treppenwitz der Geschichte gleich, wenn man durch eine Maßnahme, die ohnehin schon mehr Schaden anrichtet als Nutzen bringt, auch noch jemanden belohnt, der durch seine Exportpolitik die Versorgungssituation sogar noch verschärft hat“, sagt Herzog.

Statt den Patentschutz auszusetzen, erweisen sich Lizenzabkommen als viel praktikablere Lösung, die bereits vielfach angewendet wird: Mit Jänner 2022 haben Unternehmen mit ihren Zulieferern insgesamt bereits 357 Lizenzabkommen abgeschlossen. An die 200 davon mit vollem Technologietransfer, der Rest betrifft die Materialbeschaffung und einzelne Teilschritte im Zuge der COVID-19-Impfstoff-Produktion und -Lagerung.

Über die PHARMIG: Die PHARMIG ist die freiwillige Interessenvertretung der österreichischen Pharmaindustrie. Derzeit hat der Verband ca. 120 Mitglieder (Stand März 2022), die den Medikamenten-Markt zu gut 95 Prozent abdecken. Die PHARMIG und ihre Mitgliedsfirmen stehen für eine bestmögliche Versorgungssicherheit mit Arzneimitteln im Gesundheitswesen und sichern durch Qualität und Innovation den gesellschaftlichen und medizinischen Fortschritt.

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