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Schlaganfalltherapie: Beatmungsdauer nach Thrombektomie ist prognoserelevant Kürzere Beatmungszeit bringt bessere klinische Ergebnisse für PatientInnen

23.06.2020

Bei der Behandlung eines Schlaganfalls zählt jede Minute, um schwere bleibende Schäden oder im schlimmsten Fall den Tod verhindern zu können. Die mechanische Thrombektomie ist eine Form der akuten Schlaganfalltherapie, die in spezialisierten Zentren durchgeführt wird und besonders für schwere Schlaganfälle mit großen Gefäßverschlüssen geeignet ist. WissenschafterInnen an der Med Uni Graz haben nun im Rahmen einer Studie gezeigt, dass nicht nur die akute Behandlung des Schlaganfalls entscheidend für den Krankheitsverlauf und die Genesung ist, sondern dass auch die Dauer der künstlichen Beatmung in Folge der Vollnarkose während des Eingriffs eine wichtige Rolle spielt. Die Forschungsergebnisse wurden jüngst prominent im „European Journal of Neurology“ veröffentlicht.

Schlaganfalltherapie: Thrombektomie als Verfahren für schwere Schlaganfälle

Rund alle sechs Minuten erleidet in Österreich jemand einen Schlaganfall. Nach Herzinfarkt und Krebserkrankungen ist der Schlaganfall statistisch betrachtet die dritthäufigste Todesursache. Bei den Krankheiten, die eine schwere Behinderung nach sich ziehen können, steht der Schlaganfall an erster Stelle. „Aus all diesen Gründen ist eine rasche Behandlung des Schlaganfalls entscheidend für den weiteren Krankheitsverlauf und die Genesung“, erklärt Simon Fandler-Höfler von der Universitätsklinik für Neurologie der Medizinischen Universität Graz. Die mechanische Thrombektomie ist eine besondere Form der akuten Schlaganfallbehandlung. Bei dieser wird das Blutgerinnsel, welches ein Hirngefäß verstopft, über einen Zugang durch die Leistenarterie mit Mikrokathetern und speziellen Werkzeugen entfernt. Damit ist die Thrombektomie ein minimalinvasives Verfahren, welches nur in spezialisierten Schlaganfall-Interventionszentren durchgeführt wird.

„Hier ist das LKH-Universitätsklinikum Graz einer der Vorreiter in Österreich“, ergänzt Simon Fandler-Höfler. Seit mehreren Jahren wird die mechanische Thrombektomie rund um die Uhr von der Klinischen Abteilung für Neuroradiologie, vaskuläre und interventionelle Radiologie (Leiter: Univ.-Prof. Hannes Deutschmann) durchgeführt. Hauptsächlich Patientinnen und Patienten aus der gesamten Steiermark und dem Südburgenland werden mit diesem Verfahren in Graz behandelt. Insbesondere schwere Schlaganfälle mit Verschlüssen großer Gehirngefäße eignen sich für eine mechanische Thrombektomie.

Therapieerfolg: Dauer der künstlichen Beatmung hat relevanten Einfluss

Auch wenn weltweit die Zahl an durchgeführten Thrombektomien steigt, fehlen über einige Auswirkungen auf die Patientinnen und Patienten nach erfolgreicher Gefäßwiedereröffnung noch wichtige Daten. „Die mechanische Thrombektomie wird häufig unter Vollnarkose durchgeführt, was eine künstliche Beatmung erforderlich macht. Wir haben gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen der Klinischen Abteilung für Neuroradiologie, vaskuläre und interventionelle Radiologie und der Universitätsklinik für Anästhesie und Intensivmedizin der Med Uni Graz untersucht, welchen Einfluss die Beatmungszeit nach erfolgter mechanischer Thrombektomie auf die Prognose behandelter Patientinnen und Patienten hat“, beschreibt der Wissenschaftler. Dazu wurden Schlaganfallpatientinnen und -patienten in eine Studie eingeschlossen, die innerhalb der letzten acht Jahre in Graz mittels mechanischer Thrombektomie unter Vollnarkose behandelt wurden. Dabei handelt es sich um 447 Patientinnen und Patienten mit einem ausgeglichenen Geschlechterverhältnis und einem mittleren Alter von 69 Jahren.

Untersucht wurde der Einfluss der Beatmungsdauer auf die langfristige Prognose, welche als gut definiert wurde, wenn Patientinnen und Patienten drei Monate nach dem Schlaganfall wieder ein unabhängiges Leben führen konnten. Zusätzlich wurde die Rate der aufgetretenen Lungenentzündungen erhoben.

Längere Beatmungszeit ist mit schlechterer Prognose verbunden

„Unsere Beobachtungen haben gezeigt, dass eine kürzere Beatmungszeit mit einer besseren Prognose und geringeren Langzeitfolgen des Schlaganfalls verbunden war“, so Simon Fandler-Höfler. „Auch nachdem wir eine Reihe anderer Faktoren, welche ebenfalls Einflüsse auf die Prognose haben können, in die Analyse einbezogen, bestand diesbezüglich ein starker Zusammenhang. 

Eine längere Beatmungszeit war darüber hinaus mit einem höheren Risiko für Lungenentzündungen während des Aufenthalts auf der Intensivstation bzw. der Stroke Unit verbunden. Verglichen mit einer raschen Extubation, stieg die Rate an Lungenentzündungen bei verzögerter Extubation auf den dreifachen Wert an.

Simon Fandler-Höfler und seine KollegInnen schlussfolgerten, dass eine kürzere Beatmungszeit nach erfolgreicher mechanischer Thrombektomie ein unabhängiger Faktor für eine bessere Prognose war und gleichzeitig mit einer geringeren Rate an Lungenentzündungen einherging.

Diese Forschungsergebnisse wurden kürzlich im „European Journal of Neurology“ publiziert und auf der Titelseite von „Medscape“ – einer großen Plattform zur Fortbildung von Medizinerinnen und Medizinern – diskutiert.

Outcome: Auch Blutdruck spielt eine wichtige Rolle

In einer weiteren Untersuchung konnten die ForscherInnen an der Med Uni Graz zeigen, dass ausgeprägte Blutdruckabfälle während einer mechanischen Thrombektomie mit einer schlechteren Prognose verbunden sind. Daraus könnte sich zukünftig eine individuellere Narkoseführung während der mechanischen Thrombektomie ableiten.

Weitere Forschungsvorhaben hinsichtlich einer verbesserten und individualisierten Schlaganfallbehandlung werden von Thomas Gattringer, dem Leiter der Forschungsgruppe, und Christian Enzinger, dem supplierenden Leiter der Klinischen Abteilung für allgemeine Neurologie, koordiniert. Sie umfassen die Untersuchung der Gehirndurchblutung nach Thrombektomie mittels Ultraschall und Magnetresonanztomographie, von prognoserelevanten Blut-Biomarkern sowie den Einfluss von internistischen Begleiterkrankungen (wie Nieren- und Leberfunktionsstörungen) auf Schlaganfallpatientinnen und –patienten.

Anbei finden Sie ein Portrait von Simon Fandler-Höfler zu Ihrer Verwendung. Bild: Med Uni Graz

Weitere Informationen und Kontakt

Dr. Simon Fandler-Höfler
Universitätsklinik für Neurologie
Medizinische Universität Graz
Tel.: +43 316 385 81781
simon.fandler@medunigraz.at

Links zu den Publikationen
Ventilation time and prognosis after stroke thrombectomy: the shorter, the better!https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/ene.14178

Single mean arterial blood pressure drops during stroke thrombectomy under general anaesthesia are associated with poor outcome

https://link.springer.com/article/10.1007/s00415-020-09701-x