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Sepsis weltweit für einen von fünf Todesfällen verantwortlich – 50 Prozent der Sepsis-Überlebenden leiden an Langzeit-Folgen

10.09.2021

10. Welt-Sepsis-Tag am 13. September – ÖGARI betont Bedeutung von Früherkennung und geeigneten Rahmenbedingungen für optimales Sepsis-Management

Bereits zum 10. Mal wird am 13. September der Welt-Sepsis-Tag begangen, um Aufmerksamkeit und Bewusstsein für den häufig unterschätzten Notfall Sepsis, die Möglichkeit der Früherkennung und ein bestmögliches Sepsis-Management zu mobilisieren. In Österreich starten jetzt die Arbeiten an einem Nationalen Aktionsplan Sepsis, der die Rahmenbedingungen für die gesamte Betreuungskette optimieren soll. Die ÖGARI weist auch auf die Bedeutung von ausreichenden Ressourcen für die Nachbetreuung von Sepsis-Patientinnen und -Patienten nach einer erfolgreichen Therapie auf der Intensivstation hin: „Post-ICU-Care“ ist nicht nur nach schweren COVID-19-Erkrankungen ein wichtiger Bestandteil der Versorgung.

Als Ursache Nummer 1 für Todesfälle im Krankenhaus, für Wiederaufnahmen im Spital und für hohe Gesundheitskosten gehört die Sepsis zu den weltweit größten Gesundheitsproblemen. Rund 50 Millionen Sepsisfälle treten weltweit pro Jahr auf, 11 Millionen Menschen sterben daran, darunter 3 Millionen Kinder und Jugendliche. Damit ist diese schwere Erkrankung auf globaler Ebene für einen von fünf Todesfällen verantwortlich. Darauf macht aus Anlass des Welt-Sepsis-Tages am 13. September die Österreichische Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI) aufmerksam – ebenso wie zahlreiche Organisationen in aller Welt, die in der Global Sepsis Alliance zusammengeschlossen sind.

„In den mehr als eineinhalb Jahren COVID-19-Pandemie sind mehr Menschen denn je auf kritische Infektionserkrankungen, die eine intensivmedizinische Therapie erforderlich machen, und auf kritische Krankheitszustände wie ein Multiorganversagen aufmerksam geworden“, sagt ÖGARI-Präsident Prim. Univ.-Prof. Dr. Walter Hasibeder, Leiter der Abteilung für Anästhesie und operative Intensivmedizin am Krankenhaus St. Vinzenz Zams. „Diese Sensibilisierung ist wichtig, denn die Sepsis ist nichts anderes als die dramatische Konsequenz einer Infektion, bei der Früherkennung besonders wichtig ist.“

Nahezu alle akuten Infektionserkrankungen, einschließlich Viren wie SARS-CoV-2, können zu einer gefährlichen Sepsis führen. Eine Sepsis entsteht dann, wenn die körpereigene Abwehrreaktion gegen eine Infektion sich gegen den eigenen Organismus wendet. Das kann zum septischen Schock, zum Multiorganversagen und zum Tod führen – insbesondere, wenn eine Sepsis nicht frühzeitig erkannt und akut behandelt wird.

Gesundheitspolitische Priorisierung: Österreich entwickelt Nationalen Aktionsplan Sepsis, Intensivregister gefordert

„Seit 10 Jahren wird weltweit der Welt-Sepsis-Tag begangen. Und in dieser Zeit sind auf gesundheitspolitischer Ebene wichtige Fortschritte gelungen, unter anderem eine WHO-Resolution, die alle Mitgliedsstaaten aufruft, effektive Maßnahmen gegen Sepsis in ihre nationalen Gesundheitsstrategien zu integrieren“, sagt Assoc.-Prof. Priv.-Doz. Dr. Eva Schaden, Stellvertreterin für den Bereich Intensivmedizin der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI) und Leiterin einer Intensivstation an der Universitätsklinik für Anästhesie, Allgemeine Intensivmedizin und Schmerztherapie, MedUni Wien/AKH Wien. „Österreich setzt dazu jetzt eine wichtige Initiative, Expertinnen und Experten entwickeln gemeinsam mit der Gesundheitspolitik einen Nationalen Aktionsplan Sepsis (NAP-Sepsis), um für Prävention, Früherkennung, Diagnose, Behandlung und langfristige Nachbetreuung in der Gesundheitsplanung optimale Rahmenbedingungen zu definieren und entwickeln.“

Ein wichtiges Element sei dabei die Erhebung valider Daten über Häufigkeit und Sterblichkeitsrate der Sepsis in Österreich, betont Prof. Schaden. „Wir müssen im Moment mit Hochrechnungen und Näherungswerten von internationalen Zahlen arbeiten, weil uns entsprechende Datengrundlagen auf nationaler Ebene fehlen.“ Auf Basis der Hochrechnung deutscher Zahlen ist hierzulande von etwa 28.000 Sepsis-Erkrankten und von rund 6.700 Sepsis-bedingten Todesfällen pro Jahr auszugehen.

Die ÖGARI ist aktuell in Gesprächen mit dem Gesundheitsministerium über die Etablierung eines Intensivregisters, das über die Demographie der Patientinnen und Patienten auf den österreichischen Intensivstationen ebenso Aufschluss gibt wie über ihre Diagnosen, Komplikationen oder Therapien. „Solche Daten hätten uns seit dem Pandemiebeginn nützliche Informationen geliefert, und sie werden es auch in Bezug auf die Sepsis tun können“, so Prof. Schaden.

Post-Sepsis-Care: Hoher Betreuungsbedarf nach dem Intensivaufenthalt

Die Phänomene Post-COVID oder Long-COVID haben in den vergangenen Monaten vielen Menschen bewusst gemacht, dass bei kritischen Erkrankungen mit dem Ende der intensivmedizinischen Behandlung der Versorgungsbedarf nicht abgeschlossen ist. „Erfreulicherweise gibt es für Corona-Betroffene inzwischen spezialisierte ambulante und stationäre Versorgungsangebote nach der Akuterkrankung“, so Prof. Schaden. „Was wir dabei nicht übersehen sollten: Das Problem ist nicht auf COVID-19 beschränkt, bis zu 50 Prozent der Menschen, die eine Sepsis überstanden haben, leiden langfristig an körperlichen oder psychischen Folgen dieser schweren Erkrankung. Diese erfordern geeignete Betreuungsstrukturen und -einrichtungen.“ Ganz generell, so die Expertin, gewinne die weiterführende Behandlung und Versorgung nach der Entlassung aus der Intensivstation – die „Post-ICU Care“ – zunehmend an Bedeutung. Denn Spätfolgen nach längeren Intensivaufenthalten seien, unabhängig von der Diagnose, ein verbreitetes Phänomen. Unter dem Begriff „Post-Intensiv-Syndrom“ oder „Post-ICU-Syndrom“ (PICS) wird eine Vielfalt von kognitiven, körperlichen und psychischen Folgeerkrankungen nach der Behandlung kritischer Erkrankungen auf der Intensivstation zusammengefasst, die je nach Ausprägung sehr viele unterschiedliche rehabilitative Maßnahmen erfordern. „Alle therapeutischen Erfolge der Intensivteams verlieren an Bedeutung, wenn die Nachsorge nur unzureichend gewährleistet ist,“ so Prof. Schaden.

Früherkennung rettet Leben

Eine besondere Bedeutung kommt beim Sepsis-Management auch der Früherkennung zu, die sprichwörtlich Leben retten kann. Entgegen verbreiteter Vorstellungen ist die Sepsis keine Erkrankung, die im Spital entsteht: 80 Prozent der Sepsis-Fälle treten außerhalb eines Krankenhauses auf. ÖGARI-Präsident Prof. Hasibeder: „Je später die Diagnosestellung und eine angemessene Therapie erfolgt, desto schlechter sind Heilungs- und Überlebenschancen und desto dramatischer ist der Verlauf. Bewusstsein für Alarmsignale der Sepsis ist daher zentral.“ Der oft zitierte „rote Strich am Arm“ ist keineswegs das typische Anzeichen für Sepsis. Vielmehr sind es zunächst eher allgemeine – und daher oft nicht leicht erkennbare – Symptome wie Fieber und/oder Schüttelfrost, eine erschwerte, schnelle Atmung, eine verwaschene Sprache oder Verwirrtheit, die im Zusammenhang mit einer Infektion auftreten, aber auch eine sehr blasse Haut und ein starkes Abgeschlagenheits- und Krankheitsgefühl.

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