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Stammzelltransplantation: Mechanismus für unerwünschte Abstoßungsreaktion identifiziert

19.11.2020

Nach einer Stammzelltransplantation im Zuge einer Leukämie mit vorangegangener Chemotherapie und Bestrahlung kommt es häufig zu teils schweren, entzündlichen Nebenwirkungen – insbesondere in der Haut oder im Darm, denn die sogenannten Barriere-Organe sind davon häufiger betroffen. Die Ursache dafür war bisher ungeklärt. Nun hat ein Team der MedUni Wien unter der Leitung von Georg Stary und Johanna Strobl von der Universitätsklinik für Dermatologie der MedUni Wien, dem CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und des Ludwig-Boltzmann-Institutes for Rare and Undiagnosed Diseases einen Mechanismus im Immunsystem identifiziert, der dafür mitverantwortlich ist. Die Erkenntnisse wurden nun im Top-Journal „Science Translational Medicine“ publiziert.

Als Leukämie bezeichnet man eine Gruppe von Krebserkrankungen des blutbildenden Systems, bei der sich Vorläuferzellen der weißen Blutkörperchen (Leukozyten) unkontrolliert vermehren. Mittels Chemotherapie und Bestrahlung werden die kranken Blutzellen zerstört und danach mit Hilfe einer Stammzelltransplantation ersetzt. Bei Leukämien ist die Übertragung von gesunden Knochenmarks- oder Blutstammzellen oft die einzige Chance für die betroffenen PatientInnen, geheilt zu werden. Dabei werden grundsätzlich alle Blutzellen beim Empfänger, die zuvor durch die Behandlung zerstört wurden, „ersetzt“.

Die DermatologInnen der MedUni Wien konnten nun aber nachweisen, dass es sogenannte gewebsständige und inaktive T-Zellen im eigenen Immunsystem gibt, die die Chemotherapie und Bestrahlung unbeschadet überstehen und noch über zehn weitere Jahre zwischen und unter den Epithelzellen der Haut überleben, während die zirkulierenden T-Zellen zerstört werden.

„Wir konnten zeigen, dass überlebende T-Zellen im Gewebe der Haut für die entzündlichen Reaktionen nach einer Stammzelltransplantation verantwortlich sind. Diese Phänomene treten binnen der ersten 100 Tage auf und können von leichten Ekzemen bis hin zu einer flächigen Fibrose, also zur Gewebeverhärtung, oder Blasenbildung auf der Hautoberfläche führen. Das heißt, die eigenen T-Zellen richten sich in negativer Weise nach der Stammzelltransplantation gegen den Empfänger.“ Die Erkrankung nennt man im Fachjargon auch „Spender-gegen-Empfänger-Reaktion (GvHD)“, hier konnte nun erstmals auch eine umgekehrte „Empfänger-gegen-Spender-Reaktion“ nachgewiesen werden.

Zudem gab es Fälle, in denen die vom Spender erhaltenen Zellen diese Reaktion noch „unterstützten“ und damit verstärkten. Die Betroffenen werden mit Cortison behandelt, was für diese, die ohnehin nach der Transplantation schon immunsupprimiert sind, zu einer weiteren schweren Belastung führt. Bei PatientInnen, die keine Spender-gegen-Empfänger Reaktion entwickeln, zeigten die nach der Behandlung verbliebenen gewebsständigen T-Zellen in der Studie übrigens sogar positive Effekte für den Empfänger, indem sie ihre Funktion zur Abwehr und zum Schutz von Infektionen wahrnahmen.

Die modellhaften Erkenntnisse der Studie könnten künftig in neue therapeutische Strategien münden, die dabei helfen, die unerwünschten und heftigen entzündlichen Reaktionen nach Stammzelltransplantationen zu vermeiden bzw. zumindest zu verringern, indem man bereits vorher die inaktiven T-Zellen des Empfängers manipuliert. Die Beeinflussung von gewebsständigen T Zellen kann darüber hinaus für andere chronisch-entzündliche Erkrankungen der Haut, wie Schuppenflechte oder Neurodermitis, zu neuen therapeutischen Ansätzen führen.

Service: Science Translational Medicine

„Long-term skin-resident memory T cells proliferate in situ and are involved in human graft-versus-host disease“ Johanna Strobl, Ram Vinay Pandey, Thomas Krausgruber, Nadine Bayer, Lisa Kleissl, Bärbel Reininger, Pablo Vieyra-Garcia, Peter Wolf, Maaia-Margo Jentus, Margit Mitterbauer, Philipp Wohlfarth, Werner Rabitsch, Georg Stingl, Christoph Bock, Georg Stary. DOI: 10.1126/scitranslmed.abb7028.

Medizinische Universität Wien – Kurzprofil

Die Medizinische Universität Wien (kurz: MedUni Wien) ist eine der traditionsreichsten medizinischen Ausbildungs- und Forschungsstätten Europas. Mit rund 8.000 Studierenden ist sie heute die größte medizinische Ausbildungsstätte im deutschsprachigen Raum. Mit 5.500 MitarbeiterInnen, 26 Universitätskliniken und zwei klinischen Instituten, 12 medizintheoretischen Zentren und zahlreichen hochspezialisierten Laboratorien zählt sie auch zu den bedeutendsten Spitzenforschungsinstitutionen Europas im biomedizinischen Bereich.

CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften

Das CeMM ist eine internationale, unabhängige und interdisziplinäre Forschungseinrichtung für molekulare Medizin unter der wissenschaftlichen Leitung von Giulio Superti-Furga. Das CeMM orientiert sich an den medizinischen Erfordernissen und integriert Grundlagenforschung sowie klinische Expertise, um innovative diagnostische und therapeutische Ansätze für eine Präzisionsmedizin zu entwickeln. Die Forschungsschwerpunkte sind Krebs, Entzündungen, Stoffwechsel- und Immunstörungen sowie seltene Erkrankungen. Das Forschungsgebäude des Instituts befindet sich am Campus der Medizinischen Universität und des Allgemeinen Krankenhauses Wien. www.cemm.oeaw.ac.at

Ludwig Boltzmann Institute for Rare and Undiagnosed Diseases

Das Ludwig Boltzmann Institute for Rare and Undiagnosed Diseases (LBI-RUD) wurde von der Ludwig Boltzmann Gesellschaft im April 2016 zusammen mit dem CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, der Medizinischen Universität Wien und der St. Anna Kinderkrebsforschung gegründet. Die drei Partnerinstitutionen stellen, gemeinsam mit dem CeRUD – Vienna Center for Rare and Undiagnosed Diseases die wichtigsten Kooperationspartner des LBI-RUD dar. Das Ziel des LBI-RUD ist es, unter Einbeziehung der Expertise seiner Partnerorganisationen ein koordiniertes Forschungsprogramm zu etablieren, das neben den wissenschaftlichen auch gesellschaftliche, ethische und ökonomische Gesichtspunkte seltener Erkrankungen einbezieht und berücksichtigt.

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