Weichenstellungen für früh verfügbare Therapien
EU-HTA-Verordnung verankert eine einheitliche klinische Bewertung von neuen Therapien in Europa und bringt Folgen für den Zugang zu neuen Therapien auch in Österreich.
"Wir als pharmazeutische Industrie wünschen uns einen qualitativ hochwertigen, straffen und transparenten Prozess. Dabei ist die Zusammenarbeit aller Akteure im Gesundheitssystem auf nationaler Ebene entscheidend, um die frühe Verfügbarkeit neuer Therapien in Österreich zu gewährleisten.", Mag. Alexander Herzog, Generalsekretär der PHARMIG
Die bevorstehende EU-Health Technology Assessment (HTA)-Verordnung 2025 stellt Österreich vor wegweisende Herausforderungen und eröffnet zugleich neue Chancen für den Zugang zu neuen Therapien. Denn ein HTA zielt darauf ab, den Nutzen innovativer Therapien zu bewerten und die Basis für nachfolgende Preis- und Erstattungsentscheidungen bereitzustellen. Mit der Verordnung soll zwar ein einheitlicher Rahmen für die Einschätzung auf europäischer Ebene geregelt werden, die Handhabung der gemeinsamen klinischen Bewertungen liegt aber in den Händen der Mitgliedsstaaten. Welche rechtlichen Aspekte sich dadurch für den Krankenhaus- und niedergelassenen Bereich in Österreich ergeben, stand Anfang März bei einer Informationsveranstaltung der PHARMIG im Zentrum.
„Wir als pharmazeutische Industrie wünschen uns einen qualitativ hochwertigen, straffen und transparenten Prozess. Dabei ist die Zusammenarbeit aller Akteure im Gesundheitssystem auf nationaler Ebene entscheidend, um die frühe Verfügbarkeit neuer Therapien in Österreich zu gewährleisten“, erklärt Alexander Herzog, Generalsekretär der PHARMIG, angesichts der noch nicht ausgestalteten nationalen Umsetzung der EU-HTA-Verordnung in Österreich. Dabei hält Herzog es für wichtig, dass nationale Gremien, die in den HTA-Prozess eingebunden sind, einer modernen medizinischen Versorgung von Patientinnen und Patienten nicht im Wege stehen und verweist damit warnend auf das kommende Medikamenten-Bewertungsboard.
Mit der EU-HTA-Verordnung wird zwar eine gemeinsame klinische Bewertung auf europäischer Ebene verpflichtend, die Verordnung lässt dabei aber offen, welche nationalen Einrichtungen für die Anwendung der HTA-Bewertungen zuständig sind. Im Zuge der Diskussionsveranstaltung plädierte angesichts fehlender Regelungen daher Univ. Prof. Dr. Karl Stöger, Experte für Medizinrecht am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien, für ergänzende nationale Vorschriften, um Klarheit zu schaffen.
Auf die Frage aus dem Publikum, welche Rolle das Medikamenten-Bewertungsboard im Krankenhausbereich im Rahmen der EU-HTA-Verordnung einnehme, antwortet Stöger: „Der Europäischen Union geht es darum, dass bereits bestehende HTA-Prozesse erfasst werden. Neue müssen nicht, können aber geschaffen werden. Das neue Bewertungsboard wird Prozesse durchführen, die einem HTA entsprechen und Empfehlungen abgeben. Es ist aber nicht das einzige Gremium mit HTA-Aufgaben in Österreich.“
Unabhängig davon stellt Stöger klar, dass der Einsatz von Arzneimitteln im Krankenhausbereich am Stand der Wissenschaft erfolgen muss: „Wenn es eine gemeinsame klinische Bewertung gibt, habe ich eine wissenschaftliche Unterlage, die sagt, wie ein bestimmtes Arzneimittel oder eine Gesundheitstechnologie zu bewerten ist. Das heißt, dass sie auf nationaler Ebene nicht ignoriert werden kann.“ Das bedeute für Entscheidungstragende im Krankenhaus, sich inhaltlich, „in ausgewogener Weise“, so Stöger, mit den Ergebnissen der gemeinsamen klinischen Bewertung auseinanderzusetzen. Ein Befolgungsanspruch bestehe aber nicht.
Laut Dr.in Gisela Ernst vom Institut für Europarecht und Internationales Recht der Wirtschaftsuniversität Wien müsse klar sein, dass das HTA lediglich als Entscheidungshilfe der zu bewertenden Gesundheitstechnologie im nationalen Gesundheitswesen diene: „Entscheidungen, die darüber hinausgehen, zum Beispiel im Zusammenhang mit Beschaffung, Preis, Einsatz und Erstattung bleiben aus unionsrechtlicher Sicht von der klinischen Bewertung unberührt, da sie keine nationalen HTAs darstellen, sondern diesen nachgelagert sind.“ Der HTA-Prozess ende daher, sobald es um diese Entscheidungen gehe.
„Die für den stationären Bereich wesentliche Frage, ob es sich um nationale HTAs handelt, die eine Bewertung von Therapien gemäß Verordnung nach sich ziehen können, spielt im niedergelassenen Bereich eine untergeordnete Rolle“, sagt MMag.a Dr.in Birgit Schrattbauer, Fachbereich Arbeits- und Wirtschaftsrecht, Abteilung Arbeits- und Sozialrecht an der Paris-Lodron-Universität Salzburg. Denn hier existiere mit dem Erstattungskodex bereits ein etabliertes Instrument, mit dem der Zugang der Versicherten zu Arzneimitteln auf Kosten der Krankenversicherung gesteuert werde.
Wichtiger sei es laut Schrattbauer, welche Chancen sich bei Aufnahmen in den Erstattungskodex ergeben würden, vor allem bei bereits im Spitalsbereich eingesetzten Therapien. „So ist die faktische überwiegende Verwendung in Krankenanstalten beispielsweise kein Ausschlusskriterium für die Erstattungsfähigkeit eines Medikaments im niedergelassenen Bereich, wenn es nach geltenden Standards auch außerhalb von Krankenanstalten eingesetzt werden kann oder bereits wird“, hält die Rechtsexpertin fest. Dies sei eine wichtige Perspektive für Patientinnen und Patienten, gerade bei Krebsmedikamenten.
Die Patientenvertreterinnen und Repräsentanten der Gesundheitspolitik heißen es im Rahmen der Veranstaltung gut, dass die HTA-Verordnung eine erhöhte Verfügbarkeit von Therapien ermöglichen könnte, insbesondere solcher, die das Behandlungsspektrum in Österreich erweitern. Einstimmig betonen die Rückmeldungen aus dem Publikum auch die erheblichen Vorteile, die die Expertise der Patientinnen und Patienten in HTA-Prozessen für die Behandlung in Österreich bieten kann, besonders für Menschen mit schweren oder seltenen Erkrankungen. Umso wichtiger sei die effektive Zusammenarbeit zwischen Politik, Behörden, Krankenanstaltenträgern, Patientenorganisationen und der pharmazeutischen Industrie für die Planung und Umsetzung des Prozesses auf nationaler Ebene.
Über die PHARMIG: Die PHARMIG ist die freiwillige Interessenvertretung der österreichischen Pharmaindustrie. Derzeit hat der Verband ca. 120 Mitglieder (Stand März 2024), die den Medikamenten-Markt zu gut 95 Prozent abdecken. Die PHARMIG und ihre Mitgliedsfirmen stehen für eine bestmögliche Versorgungssicherheit mit Arzneimitteln im Gesundheitswesen und sichern durch Qualität und Innovation den gesellschaftlichen und medizinischen Fortschritt.
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