Weiterentwicklungsbedarf bei den österreichischen Patient:innenregistern
Das Austrian Institute for Health Technology Assessment (AIHTA) hat die österreichische ‚Registerlandschaft‘ untersucht und bietet erstmals einen Überblick, welche Register in Österreich überhaupt existieren und welche Gesundheitsdaten darin erhoben werden. Auf Basis der Ergebnisse entwickelten die Forscher:innen einen Leitfaden mit wichtigen Aspekten für die Planung und den Betrieb von medizinischen Registern, um das Potenzial der erhobenen Daten zur Verbesserung des Gesundheitswesens nutzen zu können.
Mit der für dieses Jahr geplanten Gesundheitsreform ist das Thema der Verwendung von Gesundheitsdaten wieder in den Fokus gerückt. Sogenannte Patient:innenregister erfassen beispielsweise Diagnosen, Behandlungsschritte und Krankheitsverläufe oder dokumentieren die Wirkung von Medikamenten. Für manche Krankheitsgruppen, Indikationen oder Interventionen wird die Datenerfassung gesetzlich vorgeschrieben. Diese Datensammlungen werden zur Qualitätsverbesserung der Gesundheitsversorgung genutzt, unterstützen die Patient:innensicherheit und generelle Planungen des Gesundheitssystems. Zudem könnten Registerdaten Wissenschafter:innen als wertvolle Quelle für Forschungsvorhaben dienen, wenn Patient:innenrechte und Daten ausreichend geschützt werden.
Bisher war die Zahl und Art von vorhandenen medizinischen Registern in Österreich unbekannt, da derzeit keine gesammelte Übersicht gesundheitswissenschaftlicher oder versorgungsrelevanter Register im Sinne eines ‚Registers von Registern‘ existiert. Das Austrian Institute for Health Technology Assessment (AIHTA) hat nun die Register mit österreichischer Beteiligung erhoben und geht mit den Forschungsergebnissen einen ersten Schritt in Richtung einer gesamtösterreichische Registerstrategie.
Status quo österreichischer Register
Das AIHTA hat 74 österreichische Register und weitere 83 internationale bzw. europäische Register mit österreichischer Beteiligung identifiziert. Für die 74 potenziell versorgungsrelevanten Register in Österreich – großteils erkrankungsspezifische, epidemiologische und Qualitätsregister – wurden allgemeine Charakteristika erhoben. Aber auch organisatorische Aspekte und das Datenmanagement inklusive Datenschutz und Qualitätssicherung wurden untersucht. Die Erhebung gestaltete sich dabei nicht immer einfach, wie Studienleiter Christoph Strohmaier einräumt: „Unser grundsätzliches Problem ist, dass die Transparenz teilweise einfach nicht da ist: Irgendwo findet man ein paar Informationen, dass es ein Register gibt, aber es ist nicht klar, welche Daten erhoben werden und wo diese zu finden sind.“ Die Basisinformationen waren zudem sehr heterogen und nicht immer auf dem aktuellen Stand. Solange es keine österreichische oder EU-weite Zentralstelle für Gesundheitsregister gibt, empfiehlt der Forscher den Registerbetreibern, sich zur Verbesserung der Transparenz auf einer der bereits bestehenden Plattformen zu registrieren. „Ziel sollte aber ganz klar ein ‚Register von Registern‘ für Österreich sein. Und bei diesem zentralen Register muss auch ein späteres Zusammenführen mit einer EU-weiten Datenbank mitgedacht werden“, gibt Strohmaier zu bedenken.
Zwölf der österreichischen Register, darunter vor allem jene mit gesetzlicher Grundlage, wurden von Christoph Strohmaier und seiner Kollegin Julia Kern anhand eines Kriterienkatalogs detaillierter untersucht: Die evaluierten Qualitätskriterien wurden im Allgemeinen erfüllt, ein Weiterentwicklungsbedarf wurde für Begriffsdefinitionen und Interoperabilität, das heißt, die Fähigkeit des Zusammenspiels unterschiedlicher Systeme, festgestellt.
Grundlagen für Planung, Design und Betrieb von Patient:innenregister
„Bei der Implementierung von einem Register oder eigentlich einer Register-Strategie sind mehrere Dinge relevant, und die müssen immer alle mitgedacht werden und das nicht nur während der Planung und des Designs, sondern auch während des laufenden Registerbetriebs“ erklärt der Studienautor und betont, dass der vom AIHTA erarbeitet Leitfaden nicht nur die Registerbetreibenden adressiert. Vielmehr bietet dieser ‚Best-Practice-Rahmen‘ auch die Grundlage zur Weiterentwicklung der medizinischen Registerlandschaft für Gesundheitsplaner:innen, Entscheidungsträger und die Gesundheitspolitik, um das Potenzial österreichischer Registerdaten nutzen zu können.
Der AIHTA-Bericht benennt hier die drei wichtigsten Aspekte hinsichtlich der nachhaltigen Nutzung gesundheitswissenschaftlicher Register zur Verbesserung der Versorgung:
Eine ausreichende – öffentliche – Finanzierung über die ganze Registerlaufzeit hinweg wird laut Strohmaier oftmals unterschätzt. Jedoch können qualitativ hochwertige Daten nur dann produziert werden, wenn auch im laufenden Registerbetrieb ausreichend Ressourcen vorhanden sind. Auch die bereits erwähnte mangelnde Transparenz einiger Register könnte auf fehlendes Budget zurückzuführen sein, denn „nur mit gesicherter Finanzierung kann man den Betrieb eines Registers professionalisieren und zum Beispiel Websites einrichten, auf denen dann die aktuellen Informationen zu finden sind.“
Die Möglichkeit des – an Konditionen gebundenen – Datenzugangs durch die (wissenschaftliche) Öffentlichkeit und gesundheitsplanerische Einrichtungen sehen nicht nur die AIHTA-Forscher:innen als wesentlichen Punkt. Auch in der eHealth-Strategie des Gesundheitsministeriums wird eine Sekundärnutzung von Gesundheitsdaten in Forschung und Wissenschaft gefordert. Ein Zugang zu Registerdaten wird jedoch häufig wegen Datenschutz- und Datensicherheitsbedenken verwehrt. Hier verweist Strohmaier auf die die Skandinavischen Länder, in denen der Datenzugang „gut funktioniert und es vielleicht aufgrund der langen Historie beispielsweise bei Qualitätsregistern akzeptierter ist, Daten zu sammeln“.
Unter Umständen steht die Forderung nach einem öffentlichen Datenzugang dem dritten Aspekt, der Wahrung der Patient:innenrechte und dem Datenschutz, entgegen. Ein Datenzugang zur Verbesserung der Versorgung oder für wissenschaftliche Zwecke kann aber auch im Sinne der individuellen Patient:innenrechte erfolgen: Diese umfassen nämlich nicht nur das Recht auf Autonomie, Selbstbestimmung und informiertes Einverständnis, sondern auch das Recht auf Wissen der vergleichenden Evidenz verschiedener Behandlungsmöglichkeiten. Um grundlegende datenschutzrechtliche Überlegung im Auge zu behalten, empfehlen die AIHTA-Forscher:innen einen Plan, der die Datenverwahrung, Datenzugriffsrechte und klare Rollen bezüglich der Datenverarbeitung regelt.
Abschließend formulieren die Studienautor:innen, dass „eine gesamtösterreichische Registerstrategie oder ein österreichweites Registermodell nur funktionieren kann, wenn alle in Frage kommenden Register eine Mindestqualität aufweisen. Die Erhebung zuverlässiger Daten bildet die Basis, um eine Verbesserung der Versorgung in den jeweiligen Gesundheitsbereichen zu erreichen.“
Rückfragen & Kontakt:
Kontakt für inhaltliche Fragen und Interviews:
Christoph Strohmaier, MSc
T +43 / 1 / 2368119-17
E-Mail: christoph.strohmaier@aihta.at
Kontakt für Fragen zur Veröffentlichung:
Marietta Mühlfellner; T +43 / 676 / 4082923
E-Mail: marietta.muehlfellner@aihta.at
Weiterführende Informationen:
Alle 157 identifizierten Patient:innenregister mit österreichischer Beteiligung wurden in einer Excel-Liste zusammengefasst und die Ergebnisse können frei zugänglich auf der Seite des AIHTA heruntergeladen werden:
Link zur Excel-Liste: https://aihta.at/uploads/tableTool/UllCmsPage/gallery/register-uebersicht.xlsx
Originalpublikation:
Strohmaier C. und Kern J. Register in Österreich und deren Verwendung zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung
AIHTA Projektbericht Nr.: 157; 2023. Wien: HTA Austria – Austrian Institute for Health Technology Assessment GmbH. https://eprints.aihta.at/1489/