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Wissenschafter*innen der Med Uni Graz identifizieren Biomarker für frontotemporale Demenz NMR-Spektroskopie ermöglicht die Zuordnung schwer diagnostizierbarer Erkrankungen

27.01.2023

Forscher*innen der Medizinischen Universität Graz haben gemeinsam mit einer Kollegin in Großbritannien untersucht, zu welchen Störungen im Stoffwechsel des menschlichen Gehirns es bei der frontotemporalen Demenz (FTD) kommt. Die neuen Erkenntnisse könnten dabei helfen, diese schwer diagnostizierbare Erkrankung von anderen alterungsbedingten Krankheiten zu unterscheiden. Die Forschungsergebnisse wurden vor Kurzem im international renommierten Journal „Progress in Neurobiology“ veröffentlicht.

Demenz und Alter: enormer Anstieg an Erkrankungen

Demenz ist ein klinisches Syndrom mit schwerem kognitiven Verfall und beeinträchtigt das Leben der betroffenen Patient*innen enorm. Die Zahl der Menschen, bei denen Demenz diagnostiziert wird, verdoppelt sich alle 20 Jahre und wird im Jahr 2030 voraussichtlich mehr als 65 Millionen erreichen. In Österreich leben derzeit über 110 000 Menschen mit Demenz. Wirksame Behandlungen gibt es zum aktuellen Zeitpunkt nicht. Frontotemporale Demenz (FTD), auch bekannt als Morbus Pick, ist die zweithäufigste Form der Demenz nach der Alzheimer-Krankheit und ein Überbegriff für eine Gruppe neurodegenerativer Erkrankungen, die sich in fortschreitenden Verhaltens-, Sprach-, exekutiven und motorischen Defiziten äußern. FTD gehört weltweit zu den häufigsten Subtypen der Demenz mit frühem Beginn vor dem 65. Lebensjahr. Die Lebenserwartung nach Auftreten der Symptome wird auf 3 bis 13 Jahre geschätzt, wobei sich Muskelschwund als Begleiterkrankung negativ auf diese auswirkt.

Frontotemporale Demenz: neue Ansätze zur Diagnose benötigt

FTD-Patient*innen haben ähnliche Symptome wie Patient*innen mit der Alzheimer-Krankheit, weshalb es oft zu falschen Diagnosen kommt. Es besteht daher ein großer Bedarf, Biomarker zu identifizieren, um FTD von Alzheimer und anderen Demenztypen zu unterscheiden sowie weiter zwischen FTD-Unterarten zu differenzieren.

Um neue Ansätze für die (Früh-)Erkennung und Behandlung von genetischen und altersbedingten Demenzerkrankungen zu finden und die Ursachen des Alterns besser zu verstehen, ist es wichtig, Biomarker für diese Erkrankungen zu entdecken.

In der neu veröffentlichten Publikation der Wissenschafter*innen der Med Uni Graz und der Kollegin aus London konnten die Erstautorinnen Fangrong Zhang und Anastasia Rakhimbekova aus der Arbeitsgruppe von Tobias Madl am Gottfried Schatz Forschungszentrum in Zusammenarbeit mit Tammaryn Lashley am University College London aufklären, dass es bei FTD und Alzheimer-Erkrankungen zu Störungen im Stoffwechsel des menschlichen Gehirns kommt. Das internationale Team zeigte auf, dass Stoffwechselprodukte im menschlichen Gehirngewebe nach dem Tod mittels Kernresonanzspektroskopie (NMR) untersucht werden können und dass Veränderungen in den Konzentrationen bestimmter Stoffwechselprodukte es ermöglichen, sowohl FTD und ihre Subtypen als auch Alzheimer voneinander zu unterscheiden.

Arginin-Methylierung – ein neues therapeutisches Ziel für die Behandlung von FTD?

In diesem Zusammenhang hat die Gruppe um Tobias Madl herausgefunden, dass Störungen bei der körpereigenen Modifikation von Proteinen darauf hindeuten, dass die sogenannte Arginin-Methylierung ein Treiber der FTD-Erkrankung ist, weshalb sie ein vielversprechendes therapeutisches Ziel darstellen könnte. Bei der Arginin-Methylierung werden Methylgruppen (ein Kohlenstoff- und drei Wasserstoffatome) zu einem Protein hinzugefügt, dies kann die Funktion des Proteins verändern. Tobias Madl berichtet begeistert: „Darüber hinaus dient unsere Studie als proof of concept für unsere zukünftigen Planungen, die darauf abzielen, in Stoffwechselwege therapeutisch einzugreifen und die Beziehungen zwischen Stoffwechsel, FTD und der Alzheimer-Erkrankung aufzuklären.“ Umfangreiche Studien sind in Arbeit, um die Grundlagen von FTD und Alzheimer besser zu verstehen.

Innovative Forschungsnetzwerke an der Med Uni Graz

Durch die Methode der auf der magnetischen Kernresonanz (NMR) basierenden Metabolomik konnten die Veränderungen von Stoffwechselprodukten in den menschlichen Hirngeweben nach dem Tod entdeckt werden. „Die Metabolomik wurde an der Med Uni Graz in den letzten Jahren im Rahmen des interuniversitären Zentrums für Integrative Metabolismus Forschung (iMRC) von uns etabliert“, ergänzt Tobias Madl. Der Ansatz ist dabei österreichweit einzigartig und erleichtert es, die biomedizinische Grundlagenforschung und die klinische Forschung in einem translationalen Ansatz zu verknüpfen.

Mit ihrer prominent im international renommierten Journal „Progress in Neurobiology“ publizierten Forschungsarbeit konnten die Wissenschafter*innen zeigen, dass die NMR-Spektroskopie es ermöglicht, Biomarker für die Diagnose neurodegenerativer Erkrankungen zu entdecken, was wichtig ist, um altersbedingte Erkrankungen besser zu verstehen und neue pharmakologische Strategien zu entwickeln. „Die Untersuchung neurodegenerativer Erkrankungen mit der NMR-Spektroskopie wird im Rahmen einer umfangreichen Studie nun erweitert“, blickt Tobias Madl in die Zukunft.

Weitere Informationen und Kontakt

Univ.-Prof. PD Mag. Dr. Tobias Madl
Medizinische Universität Graz
Gottfried Schatz Forschungszentrum
Lehrstuhl für Molekularbiologie und Biochemie
Tel.: +43 316 385 71972
tobias.madl@medunigraz.at