WWTF-Projekt: Die Physik lebender Materie
Mit Unterstützung des WWTF gründet der Physiker Sebastian Fürthauer eine neue Forschungsgruppe an der TU Wien, die sich mit computergestützter Bioforschung beschäftigt.
Zwei Förderungen für „Computational Biosciences“ hat der Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds WWTF im vergangenen Jahr ausgeschrieben, eine davon geht nun an die TU Wien. Mit einer Förderung von 1,6 Millionen Euro wird der Physiker Sebastian Fürthauer eine Forschungsgruppe aufbauen. Die TU Wien schafft für ihn eine Laufbahnstelle, um für das Projekt eine langfristige Perspektive zu schaffen.
Der WWTF vergibt die Förderung im Rahmen des Programms „Vienna Research Groups for Young Investigators (VRG)“, das junge, erstklassige Forscherinnen und Forscher aus dem Ausland nach Wien holen soll. Sebastian Fürthauer forschte bisher in New York, seine zukünftige Gruppe an der TU Wien wird physikalische Phänomene studieren, mit denen man biologische Prozesse erklären kann.
Die Physik des Lebendigen
“The physics of active biological materials across scales” – das ist der Titel des neuen Forschungsprojekts. Wie kann man die Mechanik von Gewebe verstehen, das Verhalten von Zellen oder die Funktionsweise winziger Organellen innerhalb dieser Zellen? Bisher versuchte man meistens, das Gesamtsystem anhand einiger einfacher Parameter zu beschreiben – etwa über die Elastizität, die Viskosität oder mittlere auftretende Kräfte. Das ist in vielen Fällen auch ein sehr erfolgreicher Ansatz, aber manchmal reicht er nicht aus.
Daher will Sebastian Fürthauer mit seinem Team nun versuchen, genauer hinzusehen und biologische Prozesse so rigoros wie möglich auf physikalische Gesetze zurückzuführen. Dafür muss man unterschiedliche Ebenen und verschiedene Größenskalen miteinander verbinden: Was passiert auf der Ebene einzelner Moleküle und molekularer Komplexe? Was bedeutet das für große Proteine? Wie lassen sich die Erkenntnisse daraus auf größere Strukturen anwenden – etwa auf das Zytoskelett? Was bedeutet das für die ganze Zelle, für das Gewebe, für das ganze Lebewesen?
Mit neuartigen Methoden, sowohl analytisch als auch am Computer, gelingt es, diese unterschiedlichen Größenskalen schlüssig zu verbinden. So kann man am Übergang zwischen Physik und Biologie zu einem tiefen, mechanistischen Verständnis von Effekten gelangen, die bisher nur phänomenologisch beschrieben werden konnten.
Sebastian Fürthauer
Derzeit arbeitet Sebastian Fürthauer am Center for Computational Biology des Flatiron Institute in New York, ursprünglich stammt er aber aus Österreich. Er studierte technische Physik an der TU Wien, seine Dissertation schloss er am Max-Planck-Institut für Physik komplexer Systeme und am Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden ab. Weitere Stationen seiner Forschungskarriere waren das Tata Centre for Interdisciplinary Sciences in Hyderabad, Indien, das Courant Institute an der Universität New York und die Universität Harvard.