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MPN: Bösartige Erkrankungen des Blutsystems im Fokus

07.01.2020

Grazer Wissenschafter setzen auf die „Gen-Schere“

Myeloproliferative Neoplasien (MPN) sind eine Gruppe von seltenen chronischen Erkrankungen des Blutsystems, bei denen es zu einer vermehrten Produktion von reifen Blutzellen im Knochenmark kommt. Diese bösartigen Blutkrebserkrankungen treten gehäuft im höheren Lebensalter auf und können aktuell in den allermeisten Fällen nicht geheilt werden. An der Medizinischen Universität Graz wird derzeit an der Entstehung dieser Krankheiten geforscht, um in weiterer Folge neue Therapiemöglichkeiten anbieten zu können.

MPN: Krankhafte Veränderungen im Genom als Krankheitsursache

Unter dem Begriff „Myeloproliferative Neoplasien (MPN)“ wird eine Gruppe seltener, chronischer und bösartiger Erkrankungen der blutbildenden Stammzellen im Knochenmark zusammengefasst, bei denen zu viele rote Blutkörperchen, Blutplättchen und/oder weiße Blutkörperchen gebildet werden. Ebenso kommt es durch eine zunehmende Vermehrung von Bindegewebsfasern im Knochenmark zur Behinderung der normalen Blutbildung. Die Krankheitsursache der MPN liegt in bestimmten Genveränderungen, die während des Lebens zufällig entstehen und in den Blutstammzellen zu Fehlfunktionen führen. Diese Fehlfunktionen führen dann zur ungehemmten Produktion der Blutzellen im Knochenmark. „Je nachdem welche Blutzellreihe betroffen ist, spricht man von Polyzythämia vera rubra (PV, rote Blutkörperchen), essentieller Thrombozythämie (ET, Blutplättchen) oder primärer Myelofibrose (MF, gesteigerte Bildung von Bindegewebsfasern im Knochenmark der Patientinnen und Patienten), erklärt Andreas Reinisch von der klinischen Abteilung für Hämatologie der Med Uni Graz. Zur Erforschung der MPN wurde Andreas Reinisch kürzlich ein Projekt seitens des Wissenschaftsfonds FWF im Umfang von EUR 400.000,00 bewilligt.

Genmutation führt zu ungebremster Zellvermehrung

Erkrankungen aus der Gruppe der MPN haben häufig eine gemeinsame genetische Ursache. „In den allermeisten Fällen von PV und etwa der Hälfte aller ET und MF Erkrankungen kann eine Mutation im JAK2 Gen (JAK2V617F) nachgewiesen werden“, erklärt Andreas Reinisch. JAK-Proteine dienen als Informationsübermittler zwischen Rezeptoren auf der Zelloberfläche und Signalmolekülen innerhalb der Zelle. Durch die Genmutation kommt es fälschlicherweise zur dauerhaften Aktivierung des Signaltransduktionsweges, was wiederum zu einer ungebremsten Zellvermehrung führt. „Bis heute konnte die Wissenschaft allerdings noch nicht klären, warum die selbe JAK2 Mutation drei klinisch unterschiedliche Krankheitsbilder hervorrufen kann“, ergänzt Andreas Reinisch. Daher liegt sein Forschungsziel darin, sowohl die generelle Rolle von JAK2V617F in menschlichen Zellen, als auch insbesondere deren Beitrag zur Krankheitsentstehung zu untersuchen.

„Gen-Schere“ eröffnet neue wissenschaftliche Möglichkeiten

In ihrer Forschungsarbeit an der Medizinischen Universität Graz setzen Andreas Reinisch und sein Team auf die CRISPR/Cas9-Technologie. Hinter dieser sperrigen Abkürzung verbirgt sich ein neues, molekularbiologisches Verfahren, um DNA-Bausteine im Erbgut zu verändern. Die Präzision und Einfachheit dieser Methode war bis vor kurzem noch unvorstellbar. Man könnte hier von einer Art „Gen-Schere“ sprechen, die in nahezu allen lebenden Zellen eingesetzt werden kann. So ist es möglich, DNA gezielt zu „schneiden“, um dann diesen geschnittenen DNA-Bereich zu verändern. Das Forscherteam nutzt die Technologie nun erstmals dazu, um die JAK2V617F Mutation gezielt in gesunde humane Blutstammzellen einzubringen und danach die funktionellen Auswirkungen auf die Zellen zu untersuchen.

Neue Therapieoptionen für MPN als Forschungsziel

In ihrer Forschungsarbeit verwenden die Grazer Forscher um Andreas Reinisch des Weiteren auch ein neu entwickeltes Mausmodell, welches es erlaubt, genetisch veränderte menschliche Zellen in einem lebenden Organismus zu untersuchen. Bei diesem so genannten Xenotransplantationssystem werden die manipulierten humanen Zellen in immunsupprimierte Mäusen transplantiert und die Entwicklung von MPNs untersucht. „Im Forschungsprojekt werden wir die Rolle von JAK2V617F und die zu Grunde liegenden biologischen Mechanismen in der Entstehung unterschiedlicher MPN intensiv erforschen“, so Andreas Reinisch. Die Ergebnisse der Untersuchungen an der Med Uni Graz sollen dazu beitragen, neue therapeutische Strategien zu entwickeln, welche für die Behandlung von MPN Patientinnen und Patienten zukünftig eingesetzt werden können.

Weitere Informationen und Kontakt

Dr. Andreas Reinisch, PhD
Universitätsklinik für Innere Medizin
Klinische Abteilung für Hämatologie
Medizinische Universität Graz
Tel.: +43 316 385 30163
a.reinisch@medunigraz.at